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MELDUNG/1143: Wider besseres Wissen - Kelly Pavlik kündigt Wiederkehr an (SB)




Kampf gegen Roy Jones im Winter angedacht

Anfang des Jahres hatte Kelly Pavlik seine Karriere für beendet erklärt, deren Höhepunkt sein Aufstieg zum Weltmeister der Verbände WBC und WBO im Mittelgewicht war. Er galt damals als bester Boxer seiner Gewichtsklasse, und da es nie zum Kampf gegen Arthur Abraham oder Felix Sturm kam, blieb diese von der Mehrzahl der Experten getragene Einschätzung unüberprüft. Wie viele andere namhafte Zunftgenossen vor ihm scheint auch Pavlik keinen Gefallen am sportlichen Ruhestand zu finden, plant er doch jüngsten Meldungen zufolge seine Rückkehr in den Ring.

Der in Youngstown (Ohio) lebende Kelly Pavlik nahm bereits im Alter von neun Jahren das Boxtraining auf, als ihn Jack Loew unter seine Fittiche nahm. Der Junge erwies sich als ebenso mutig wie zäh und brachte es in seiner recht erfolgreichen Amateurlaufbahn auf eine Bilanz von 89 Siegen und neun Niederlagen. Nachdem Pavlik in der Olympiaausscheidung 2000 gescheitert war, erhielt er als 18jähriger einen Profivertrag bei Bob Arums "Top Rank" und gewann seine ersten dreißig Kämpfe im Mittelgewicht.

Er boxte so wendig, daß man ihm den Beinamen "The Ghost" gab, weil ihn seine Gegner nicht zu fassen bekamen. Später ergänzte er diese Fähigkeit um ein unablässiges Power-Punching, mit dem er auch die stärksten Kontrahenten dominierte. Dank seiner beeindruckenden Schlagwirkung stufte ihn das "Ring"-Magazine zeitweise als gefährlichsten Puncher seiner Gewichtsklasse ein. Ungeachtet dieser bestechenden Qualitäten ließ man sich sechs Jahre Zeit, um den mit 1,89 m hochgewachsenen Mittelgewichtler in aller Ruhe aufzubauen.

Im Jahr 2007 kam es schließlich zum ersten Titelkampf bei der WBO, in dem Edison Miranda sein Gegner war. Die Kontrahenten traktierten einander mit zahlreichen Wirkungstreffern, doch setzte sich Pavlik zunehmend durch und gewann nach mehreren Niederschlägen durch technischen K.o. in der siebten Runde. Wenige Monate später trat er gegen WBC-Weltmeister Jermain Taylor an, der ihn in der zweiten Runde auf die Bretter schickte. Pavlik fand jedoch in den Kampf zurück und trieb seinen Gegner in der siebten Runde derart in die Enge, daß der Ringrichter abbrechen mußte. Am 16. Februar 2008 trafen die beiden in Las Vegas zu einer Revanche aufeinander, die Pavlik einstimmig nach Punkten gewann.

Trotz seiner makellosen Siegesserie war Kelly Pavlik in Europa weithin unbekannt und selbst in den USA erst spät ein großer Star. Das dürfte in erster Linie daran gelegen haben, daß er außerordentlich bodenständig blieb und mit allen Faustregeln brach, wonach ein aufstrebender Boxer früher oder später seinen Trainer und den Wohnort wechseln müsse, um sportlich voranzukommen und den gesellschaftlichen Aufstieg in bessere Kreise zu vollziehen. Pavliks Stärke, so schien es, war seine Familie, die vertraute Umgebung und seine Stadt.

Nach seinem zweiten Sieg gegen Jermain Taylor und einer erfolgreichen Titelverteidigung gegen Gary Lockett traf Pavlik 2008 in einem höheren Limit auf Bernard Hopkins, der das Mittelgewicht vor Taylor dominiert und damals alle vier maßgeblichen Gürtel in seinen Besitz gebracht hatte. Gegen die Legende mußte Pavlik die erste Niederlage seiner Profilaufbahn hinnehmen. Er blieb jedoch Weltmeister im Mittelgewicht, bis er nach zwei weiteren Titelverteidigungen seine Gürtel 2010 an den Argentinier Sergio Martinez verlor, der heute als bester Akteur dieser Gewichtsklasse gilt. Gerüchten zufolge hatte Pavlik bereits vor dem Kampf gegen Hopkins Alkoholprobleme, die nun publik wurden, als er für längere Zeit pausierte und eine Entziehungskur absolvierte. Er wechselte ins Supermittelgewicht, doch nahm seine Karriere nie wieder Fahrt auf. Daran änderte auch der Umzug nach Kalifornien und der Wechsel zu dem renommierten Trainer Robert Garcia nichts mehr.

Im Januar 2013 gab der erst 30jährige Kelly Pavlik seinen Abschied vom Boxsport bekannt. Er wolle in diesem brutalen Geschäft, bei dem man nie wisse, was einem passieren könne, kein Risiko mehr eingehen. Bleibe man zu lange im Geschäft, drohten gesundheitliche Probleme in späteren Jahren. Er könne zufrieden mit seiner Karriere sein, in der er 40 Kämpfe gewonnen und nur gegen Hopkins und Martinez verloren habe, die zu den Besten gehörten. Er habe es satt, seine Familie, die ihm wichtiger als alles andere sei, für das Training zu verlassen. Daher schlage er nun ein neues Kapitel in seinem Leben auf.

Was den ehemaligen Weltmeister im einzelnen bewogen hat, wider besseres Wissen eine Rückkehr in den Ring in Erwägung zu ziehen, kann man nur mutmaßen. Jedenfalls kündigt der inzwischen 31jährige an, er wolle im Winter einen Kampf gegen Roy Jones jun. bestreiten. Die Sache sei so gut wie perfekt, weshalb er in Kürze das Training aufnehmen werde. Dabei sollte gerade Roy Jones ein abschreckendes Beispiel sein, der in den 1990er Jahren zum weltbesten Boxer aller Gewichtsklassen aufstieg, jedoch seinen Abschied immer wieder rückgängig machte und in jüngerer Zeit mehrere schwere Niederlagen erlitten hat. Im Unterschied zu Bernard Hopkins, der als ältester Weltmeister aller Zeiten noch immer Geschichte schreibt, ist Roy Jones nur noch ein Schatten früherer Tage und wegen seines Namens heute Kanonenfutter in Kämpfen mehr oder minder fragwürdiger Relevanz. Kelly Pavlik wäre gut beraten, seine Anfang des Jahres geäußerte Einsicht nicht ad absurdum zu führen.

Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/kelly-pavlik-rueckkehr-im-winter-gegen-jones-27598

12. Juli 2013