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MELDUNG/885: Sturm hat mehr verloren als den Gürtel (SB)




Verhandlungsbasis nach Titelverlust eingebrochen

Nach seinem Sieg im Vereinigungskampf von Oberhausen stehen dem Australier Daniel Geale viele Türen offen, während Felix Sturm mehr als nur seinen Titel verloren hat. Der Status des Superchampions der WBA im Mittelgewicht hatte es ihm erlaubt, gefährlichen Herausforderern aus dem Weg zu gehen und sich Gegner auszusuchen, die zu besiegen er sich imstande sah. Diese Strategie drohte in der jüngeren Vergangenheit mehrfach zu scheitern, als sich vermeintlich handhabbare Kontrahenten anschickten, den Kölner vom Thron zu stoßen. Bislang war Sturm mit knappen Ergebnissen zu seinen Gunsten davongekommen, doch ist er nun über Geale gestolpert, den man als schwächsten der aktuellen Weltmeister eingeschätzt hatte.

Der zwei Jahre jüngere Australier wirkte über weite Strecken wie der frischere Boxer und setzte sich nach einem verbissen geführten Kampf am Ende knapp nach Punkten durch (116:112, 112:116, 116:112). Damit verbesserte er seine Bilanz auf 28 Siege und eine Niederlage und gewann zum Gürtel der IBF die Trophäe des WBA-Superchampions hinzu. Felix Sturm hat 37 Kämpfe gewonnen, drei verloren und zwei unentschieden beendet. Im anschließenden Interview war der Kölner der Auffassung, Geale habe häufiger geschlagen, er selbst aber die klareren Treffer ins Ziel gebracht. Verlieren gehöre indessen nun einmal zum Sport, und so gratuliere er seinem Gegner und dessen Team. Vielleicht könne man ja irgendwann einen Rückkampf austragen.

Daniel Geale, der zuvor bereits Sebastian Sylvester in Deutschland den Titel abgenommen hatte, würdigte Sturm als großen Champion. Der harte Kampf sei sehr gut für ihn selbst gelaufen, so der Australier. Seine Landsleute in Tasmanien hätten alle hinter ihm gestanden und ihm damit Kraft gegeben. Nach diesem guten Kampf wäre eine Revanche sicher interessant.

Promoter Gary Shaw stellte jedoch umgehend klar, daß sein Boxer anders als Felix Sturm einer Pflichtverteidigung gegen Gennadi Golowkin nicht aus dem Weg gehe. Da die WBA kürzlich noch einmal bekräftigt hat, daß der Superchampion bis zum Jahresende gegen den regulären Weltmeister Golowkin antreten müsse, rückt eine Revanche für Sturm in weite Ferne. Nach Angaben Shaws hatte man dem Kölner eine Rückkampfklausel angeboten, die Sturm jedoch ablehnte. Das unterstreiche, wie sicher er sich gewesen sei, diesen Kampf zu gewinnen. Geale sei nun mit seinen beiden Titeln ein gefragter Mann und habe viele Optionen. Man habe kein Problem damit, gegen Golowkin anzutreten und dafür mit Tom Loeffler und K2 zu verhandeln. Gewinne Julio Cesar Chavez jun. am 15. September, könne man einen Kampf gegen den Mexikaner mit dessen Promoter Bob Arum vereinbaren. Setze sich jedoch Sergio Martinez durch, ließe sich ein Kampf gemeinsam mit Lou DiBella auf die Beine stellen. Geales Promoter verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß seinem Schützling nach diesem erneuten Titelgewinn in Deutschland endlich der verdiente Respekt zuteil wird. Er habe wohl das Zeug, der beste australische Boxer aller Zeiten zu werden, und mit Sicherheit sei er der am meisten unterschätzte seines Landes.

Was ein Duell zwischen Felix Sturm und Arthur Abraham betrifft, sind die Karten nach dem jüngsten Titelgewinn Abrahams im Supermittelgewicht und der Niederlage des Kölners neu gemischt. Da Sturm seinen Gürtel überraschend verloren hat, könnte er in Verhandlungen mit Abrahams Promoter Sauerland keine Bedingungen wie die Übertragung bei Sat.1 mehr stellen und müßte auch bei der Börse große Abstriche machen. Noch vor wenigen Tagen hatte sich Sturm wenig entgegenkommend gezeigt und Sauerland in einem Interview sogar als Lügner bezeichnet.

Der Kölner habe sich sehr unklug verhalten, unterstrich Wilfried Sauerland im Gespräch mit einer Berliner Zeitung. Vielleicht finde Sturm ja nach der Niederlage zur Vernunft zurück. Ein Kampf gegen Abraham sei unter den aktuellen Umständen natürlich lange nicht mehr so interessant wie in der Vergangenheit. Als Promoter des amtierenden Weltmeisters hätte Sauerland in Verhandlungen eindeutig das Heft in der Hand. Arthur sei Champion, Felix habe nichts mehr - deswegen sei klar, daß ein solcher Kampf von der ARD übertragen würde, so der Berliner Promoter. Sauerland erinnert überdies daran, wie heftig Sturm über Robert Stieglitz hergezogen habe. Deshalb solle er zuerst gegen den Magdeburger antreten, worauf sich der Sieger dann im nächsten Jahr mit Abraham messen dürfe. In seinem Feriendomizil St. Tropez konnte sich Arthur Abraham rasch für diese Idee erwärmen. Felix habe einfach zu wenig gemacht und sich von Geale ausboxen lassen, bringt der Berliner die Niederlage seines alten Rivale auf den Punkt. Was ihn selbst betreffe, habe er überhaupt kein Problem damit, jederzeit gegen Sturm anzutreten. Der Vorschlag seines Managers sei doch sehr gut, und nun müsse man sehen, ob Sturm den Mumm dazu habe.

4. September 2012