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MELDUNG/827: Dopingvorwurf schwebt über Antonio Tarver (SB)




Sportliche Karriere und zweites berufliches Standbein in Gefahr

Die in den Rang eines moralischen Imperativs erhobene Praxis, sportliche Höchstleistung einzufordern und zugleich über den Kamm der stigmatisierenden Dopingprobe zu scheren, hat auch in den professionellen Boxsport Einzug gehalten. Als jüngst an den Pranger gestellter Sünder versucht derzeit Antonio Tarver, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Der Weltmeister des kleinen Verbands IBO im Cruisergewicht soll nach seinem Kampf gegen Lateef Kayode positiv auf ein verbotenes Mittel getestet worden sein. Diese Nachricht kam um so überraschender, als Tarver bei seinem Auftritt am 2. Juni am allerwenigsten den Eindruck erweckte, er sei auf welche Weise auch immer sonderlich angespornt. Der 43jährige legte anfänglich eine bemerkenswerte Passivität an den Tag und raffte sich in der zweiten Hälfte des Kampfs gerade soweit auf, daß es zu einem Unentschieden reichte.

Kayodes Manager Steven Feder zeigte sich in einer ersten Stellungnahme verwundert, daß ein Boxer mit dem Status des Champions ein derartiges Risiko eingehe. Wer hätte je gedacht, daß jemand auf diesem Level zu solchen Mitteln greifen könnte? Inzwischen hat Antonio Tarver, der positiv auf das anabole Steroid Drostanolone getestet worden sein soll, auf seiner offiziellen Twitter-Seite seine Unschuld beteuert. Die Nachricht einer falschen positiven Probe habe ihn selbst und seine Familie sehr überrascht. Tarver entschuldigte sich für die Verwirrung, die dadurch ausgelöst worden sei, und kündigte einen Einspruch bei der kalifornischen Boxkommission an.

Die Kommission hat ihn jedoch umgehend suspendiert und eine Geldstrafe von 2.500 Dollar verhängt, ohne seinen Einspruch abzuwarten. Zudem geht man davon aus, daß das Ergebnis des Kampfs gegen Kayode von "unentschieden" in "ohne Wertung" umgewandelt wird. Als gravierendste Folge droht Antonio Tarver indessen der mögliche Verlust seiner lukrativen Tätigkeit als Kommentator des Senders Showtime, der bislang allerdings noch nicht reagiert hat. Tarver kommentierte am Wochenende wie gewohnt auch den Kampf zwischen Victor Ortiz und Josesito Lopez in Los Angeles, so daß sich erst noch erweisen muß, wie teuer die aktuelle Vorwurfslage ihn am Ende zu stehen kommt.

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Tomasz Adameks Fahrplan zum erneuten Titelkampf

Tomasz Adamek, der im September 2011 gegen Vitali Klitschko den kürzeren gezogen hat, strebt für 2013 einen Kampf gegen dessen jüngeren Bruder Wladimir an. Der Fahrplan des polnischen Schwergewichtlers sieht vor, sich in vier Kämpfen für die erneute Herausforderung eines Weltmeisters zu empfehlen. Daß er keine Revanche gegen den älteren Bruder ins Auge faßt, dürfte zwei Gründe haben. Zum einen wirkte er im Duell mit dem WBC-Champion chancenlos, zum anderen könnte dieser schon in Kürze seine Karriere beenden, um sich voll und ganz der Politik in seiner Heimat zu widmen.

In den beiden nächsten Schritten möchte der 35jährige Adamek, der soeben mit Eddie Chambers einen seiner schärfsten Rivalen nach Punkten besiegt hat, am 8. September und 22. Dezember in den Ring steigen. Bei Alexander Powetkin, dem regulären Weltmeister der WBA, hat sich das Team des Polen jedoch bereits eine Absage geholt. Nun versucht Manager Ziggy Rozalski, in diesem Jahr Kämpfe bei NBC zu organisieren, um dann womöglich 2013 eine Chance beim führenden US-Sender HBO zu bekommen, der zuletzt auch das erhoffte Duell mit Wladimir Klitschko übertragen könnte.

Daß dieser Weg nicht einfach sein wird, ist Tomasz Adamek durchaus bewußt, der bislang 46 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat. Boxen sei ein harter Sport, doch wenn er gesund bleibe, könne der Kampf gegen Wladimir auf jeden Fall kommen, übt sich der in New Jersey lebende Pole in Zweckoptimismus. Wenn das Team Klitschko anklopfe, werde man den Kampf gerne organisieren.

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Kopfschütteln über Offizielle für Kampf zwischen Haye und Chisora

Als die Namen der Offiziellen für den umstrittenen Schwergewichtskampf zwischen den Briten David Haye und Dereck Chisora bekanntgegeben wurden, löste dies postwendend heftige Kritik aus. Gut beraten waren die Organisatoren des Spektakels, das im Fokus widerstreitender Interessen steht und daher von seinen Gegnern intensiv unter die Lupe genommen wird, sicher nicht, den unerfahrenen luxemburgischen Punktrichter Luc Muller zu bestellen. Der hat bislang erst sechs Kämpfe gewertet, wobei sein letzter Einsatz bereits über drei Jahre zurückliegt. Ob die luxemburgische Kommission, unter deren Lizenz das Duell stattfinden wird, keinen erfahreneren Punktrichter aufbieten kann oder schlicht einen unbesonnenen Fehlgriff getan hat, den sie alsbald korrigiert, wird sich in Kürze herausstellen.

Davon abgesehen ist das übrige Kampfgericht über jeden Zweifel erhaben. Mit Mickey Vann leitet am 14. Juli ein kompetenter Ringrichter den Kampf, die britischen Punktrichter John Coyle und Paul Thomas können mit langjähriger Erfahrung aufwarten. Sollten die beiden sich im Falle eines Kampfs über volle zwölf Runden am Ende in ihrer Wertung einig sein, könnte auch ein unerfahrener dritter Punktrichter nichts verderben. Ginge es allerdings knapp und kontrovers aus, wäre ein Luc Muller unter Umständen ein recht wackliges Zünglein an der Waage. Vielleicht endet das Duell im Londoner Upton Park ohnehin vorzeitig, zumal beide Boxer angekündigt haben, sie würden den Kontrahenten in Grund und Boden prügeln. Ob ihre Fäuste mit dem Mund Schritt halten können, müssen die beiden erst noch unter Beweis stellen. Dereck Chisora hat zwar gegen Tyson Fury, Vitali Klitschko und Robert Helenius verloren, sich von diesen drei schweren Geschützen aber nicht auf die Bretter schicken lassen. David Haye verkündet unablässig, er könne jedem eine Lektion fürs Leben erteilen, doch hat er sich bislang zumindest im Schwergewicht vorzugsweise durch seine schnellen Beine ausgezeichnet.

26. Juni 2012