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MELDUNG/805: Nottingham feiert - Carl Froch entzaubert Lucian Bute (SB)




IBF-Titel im Supermittelgewicht wechselt den Besitzer

"Er ist einer der besten Kämpfer, die dieses Land je hervorgebracht hat", lobte Trainer Rob McCracken seinen Schützling in den höchsten Tönen. Wenngleich diese Einschätzung natürlich vor allem der Euphorie des Sieges geschuldet war, ist sie doch kaum von der Hand zu weisen. Als Außenseiter in den Kampf gegangen hatte der 34jährige Brite Carl Froch in seiner Heimatstadt Nottingham eine überragende Vorstellung gegeben und den amtierenden Weltmeister der IBF im Supermittelgewicht, Lucian Bute, entthront. Besonders beeindruckend war die souveräne Manier, in der der Lokalmatador seinen Gegner von Beginn an dominierte und schließlich durch Abbruch in der fünften Runde besiegte. Dabei galt der in Kanada lebende Rumäne als schneller, technisch versierter und schlagstärker als Froch, dem man allenfalls zugute hielt, vom Publikum euphorisch angefeuert dank seines Kampfesmuts eine reelle Chance zu haben.

Carl Froch boxte jedoch von Beginn an so offensiv, fokussiert und präzise, daß die seinem Gegner attestierten Vorteile kaum zum Tragen kamen. Wenngleich als Spätstarter bekannt, ergriff der Brite diesmal sofort die Initiative, konnte bereits in der ersten Runde einen gefährlichen linken Haken landen und schien Bute den Schneid abzukaufen. Der Titelverteidiger hielt zwar im zweiten Durchgang zunächst dagegen und brachte seinerseits Treffer zu Kopf oder Körper ins Ziel, wofür sich Froch jedoch weniger später im Clinch revanchierte.

Von der Schnelligkeit des Champions war auch in der Folge kaum etwas zu sehen, da ihn der Lokalmatador unter stürmischen Anfeuerungsrufen der Zuschauer in der dritten Runde erstmals in große Schwierigkeiten brachte. Er trieb Bute in die Seile, setzte sofort energisch nach und traf mit einem linken Haken, der den Weltmeister um ein Haar auf die Bretter geschickt hätte. Der Titelverteidiger wußte nur zu gut, daß er dem Kontrahenten das Feld keinesfalls überlassen durfte, und kam entschlossen aus der Pause, worauf der vierte Durchgang zunächst ausgeglichen verlief. Gegen Ende kam Froch jedoch erneut mit einer Serie von Schlägen durch, die Bute ins Wanken brachten.

In der fünften Runde gelang es dem Rumänen nicht mehr, dem Gegner Paroli zu bieten, der ihn wiederum in den Seilen festnagelte. Schlag für Schlag mußte der Champion einstecken, und da Froch nicht etwa wild auf ihn eindrosch, sondern erstaunlich präzise Maß nahm, ging Bute stehend k.o. und wurde nur noch von den Seilen gehalten. In dieser Phase hätte Frochs Ecke ihren Boxer beinahe um den Sieg gebracht, da seine Betreuer in der Überzeugung, der Kampf sei bereits abgebrochen, den Ring stürmten. Glücklicherweise legte Ringrichter Earl Brown das Reglement nicht buchstabengetreu aus und zählte zu Ende, worauf er Lucian Bute aus dem Kampf nahm, da sich der Titelverteidiger nicht mehr angemessen verteidigen konnte.

Wie Carl Froch im anschließenden Interview sagte, könne er den Ausgang des Kampfs noch gar nicht fassen. Die Niederlage gegen Andre Ward im Finale des Super-Six-Turniers sei sehr deprimierend gewesen. Danach hätten ihn viele abgeschrieben, so daß Bute bei den Buchmachern vorn gelegen habe. Die Leute in Nottingham, die fest an ihn glaubten, hätten an diesem Abend viel Geld verdient. Froch zollte seinem Gegner Respekt, der ihn mit einigen schmerzhaften Schlägen erwischt habe. Er selbst sei bereit gewesen, im Falle einer Niederlage seine Laufbahn zu beenden. Er habe jedoch stets auf seinen Trainer gehört und hochmotiviert wie auch konzentriert geboxt. Nun sehe die Zukunft wieder spannend aus.

Auch Trainer Rob McCracken unterstrich, wie engagiert sich sein Schützling auf diesen Kampf vorbereitet habe. Carl sei ein vorbildlicher Sportler, der zwischen seinen Auftritten nie an Gewicht zulege. Vielleicht biete sich ja nun die Gelegenheit, die Niederlage gegen Andre Ward geradezurücken. Promoter Eddie Hearn hob noch einmal hervor, daß es um alles oder nichts gegangen sei. Er dankte dem Publikum in Nottingham und erklärte sich zu einer umgehenden Revanche bereit, zu der man sich ja auch vertraglich verpflichtet habe. Ob Butes Lager das ebenfalls wolle, werde sich zeigen.

Für Lucian Bute, der sich im 31. Profikampf erstmals geschlagen geben mußte, wäre ein Rückkampf in Kanada die naheliegendste Option. Allerdings muß er die deutliche Niederlage erst einmal verdauen und wieder Mut fassen, es erneut mit dem Briten aufzunehmen. Carl Froch, der nun 29 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat, ist dank dieses überraschend klaren Sieges die unangefochtene Nummer zwei im Supermittelgewicht. Zum dritten Mal in seiner Karriere Weltmeister geworden hat er seinen Marktwert schlagartig gesteigert und gute Aussichten, entweder den IBF-Titel in Montreal gegen Bute zu verteidigen oder sich mit Andre Ward, dem Superchampion der WBA, zu messen.

27. Mai 2012