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PORTRAIT/104: Mikkel Kessler Ruf verhallte ungehört (SB)




Der erfolgreichste dänische Boxer beendet seine Karriere

Mikkel Kessler, der am 1. März seinen 36. Geburtstag feiert, hat seine Karriere endgültig beendet. Nach 17 Jahren im Profigeschäft hängt der ehemalige Weltmeister mehrerer Verbände im Supermittelgewicht aus Dänemark die Boxhandschuhe mit einer Bilanz von 46 gewonnenen und drei verlorenen Kämpfen endgültig an den Nagel. Er hatte seit der Punktniederlage gegen den Briten Carl Froch im Mai 2013 nicht mehr im Ring gestanden. Kessler, der viermal einen Titel gewinnen konnte und an einigen der denkwürdigsten Kämpfe dieser Gewichtsklasse beteiligt war, dürfte wohl der bedeutendste Boxer in der Geschichte seines Landes sein.

Eine Ankündigung im Mai 2014, er wolle nach der langen Pause einen neuen Anlauf nehmen, blieb ohne Folgen, da er keine Kämpfe bekam, die ihn noch einmal motiviert hätten. Da sich seither nichts an dieser Situation geändert hat, gab der Däne nun offiziell seinen Rücktritt bekannt. Wie er auf seiner Facebook-Seite schreibt, habe er lange und intensiv nach passenden Optionen gesucht. Sein Promoter Sauerland Event habe nichts unversucht gelassen und ihm in den zurückliegenden Monaten verschiedene Angebote vorgelegt, doch seien die Möglichkeiten in dieser Gewichtsklasse derzeit leider begrenzt. Ihm gehe es nicht ums Geld, sondern um eine außergewöhnliche Aufgabe, die ihn noch einmal ansporne, sich wieder in die Verfassung zu bringen, die seine Fans von ihm erwarten könnten.

Nichts wäre ihm lieber, als Revanche an Andre Ward zu nehmen und einen dritten Kampf gegen Carl Froch auszutragen. Aus welchen Gründen auch immer hätten die beiden jedoch kein Interesse daran, sich noch einmal mit ihm zu messen. Er stehe nach wie vor im Training, da das einfach zu seinem Leben gehöre, habe sich aber von Auftritten zurückgezogen. Er wolle allen Fans danken, die ihn während seiner gesamten Karriere unterstützt haben. In den Ring zu steigen, habe ihm ein außerordentliches Vergnügen bereitet, gleich ob zu Hause oder im Ausland, schließt Kessler seine aktuelle Stellungnahme. [1]

Der Däne wechselte im März 1998 ins Profilager und gewann dort 39 Kämpfe in Folge, darunter auch im November 2004 vor heimischem Publikum gegen den Puertoricaner Manny Siaca, der in der siebten Runde die Segel streichen mußte. Durch diesen Sieg wurde Kessler zum ersten Mal Weltmeister. Er verteidigte den Titel gegen den früheren Champion Anthony Mundine in Australien einstimmig nach Punkten und behielt in der Folge gegen drei weitere Herausforderer die Oberhand. Sowohl die ehemaligen Weltmeister Eric Lucas und Markus Beyer als auch der Ranglistenerste Librado Andrade mußten sich geschlagen geben.

Diese Erfolge bereiteten den Boden für einen spektakulären Kampf gegen den ebenfalls ungeschlagenen Titelträger Joe Calzaghe aus Wales, in dem die Gürtel dreier Verbände auf dem Spiel standen. Am 3. November 2007 kam es vor über 50.000 Zuschauern im Millennium Stadium von Cardiff zu einem der bedeutendsten Kämpfe, die je in dieser Gewichtsklasse ausgetragen wurden. Calzaghe, der im Juni 2014 in die Ruhmeshalle des internationalen Boxsports aufgenommen wurde, setzte sich damals einstimmig nach Punkten durch und brachte dem Dänen die erste Niederlage seiner Profilaufbahn bei.

Kessler hielt sich bereits bei seinem nächsten Auftritt insofern schadlos, als er Dimitri Sartison in der zwölften Runde besiegte und sich damit einen vakanten Titel sicherte. Diesen verteidigte er zweimal erfolgreich, worauf er am Super-Six-Turnier teilnahm, das sich einer Idee Kalle Sauerlands verdankte und vom Sender Showtime präsentiert wurde. Dabei trafen je drei namhafte Supermittelgewichtler aus Europa und den USA aufeinander und ermittelten in mehreren Runden des Turniers den weltbesten Akteur ihrer Gewichtsklasse.

Der Däne zählte zu den Favoriten des Teilnehmerfelds und trat im November 2009 beim ersten Kampf gegen Andre Ward in dessen Heimatstadt Oakland an, der durch eine technische Entscheidung in der elften Runde gewann und sich damit den Gürtel der WBA sicherte. Im zweiten Duell traf Kessler im April 2010 in Dänemark auf den Briten Carl Froch, gegen den er nach einem hochklassigen Gefecht einstimmig nach Punkten die Oberhand behielt und neuer WBC-Weltmeister wurde. Diesen Titel konnte der Däne jedoch nicht mehr verteidigen, da er sich wegen einer Augenverletzung aus dem Turnier verabschieden mußte.

Nach einer Pause von vierzehn Monaten kehrte Kessler im Juni 2011 in den Ring zurück. Er gewann drei Kämpfe in Folge vorzeitig, darunter im Dezember 2012 in nur drei Runden gegen Brian Magee, worauf er sich einen weiteren Gürtel umlegen konnte. Die vielfach geforderte Revanche gegen Froch, der unterdessen wieder Champion geworden war, ging schließlich im Mai 2013 in der ausverkauften Londoner O2 Arena über die Bühne. Kessler begann verhalten und ergriff zu spät die Initiative, so daß sich der Brite einstimmig nach Punkten durchsetzen konnte.

Trotz dieser Niederlage hätte der Däne wohl die Möglichkeit gehabt, im Supermittelgewicht gegen Andre Ward, James DeGale, George Groves oder die Brüder Anthony und Andre Dirrell anzutreten. Denkbar wären auch hochdotierte Kämpfe gegen Gennadi Golowkin im Mittelgewicht oder Adonis Stevenson, Sergej Kowaljow und Jean Pascal im Halbschwergewicht gewesen. Kessler zog es jedoch vor, allenfalls einen weiteren Kampf gegen Carl Froch ins Auge zu fassen, der jedoch im Laufe der Zeit an Aktualität verlor. [2]

Erst ein Jahr später kündigte Mikkel Kessler auf einer Pressekonferenz in Kopenhagen an, daß er seine Karriere fortsetzen wolle. Da er inzwischen Vater geworden sei und ein Leben außerhalb des Boxrings führe, das er sehr schätze, habe er lange darüber nachgedacht, ob er in den Ring zurückkehren sollte. Er trage nun Verantwortung für seine Familie, weshalb er sich die Entscheidung nicht leichtgemacht habe. Weil er es aber hasse zu verlieren und zuletzt gegen Froch den kürzeren gezogen habe, wolle er noch diese alte Rechnung begleichen. Er schulde es sich selbst und seinen Fans, ein letztes Mal ganz an die Spitze vorzustoßen, ehe er sich endgültig verabschiede.

Deshalb habe er sich ausgiebig mit seinem Team wie auch dem gesamten Umfeld beraten und dabei gespürt, daß man ihn auf dem Weg, noch einmal Weltmeister zu werden, rückhaltlos unterstützen werde. Er liebe den Boxsport noch immer, trainiere sehr gern und glaube an sich. Deshalb sei er nun bereit, es mit all den großen Namen dort draußen aufzunehmen. Wenngleich Kessler damit wieder im Gespräch war und von etlichen potentiellen Gegnern in Betracht gezogen wurde, verhallte sein Ruf letzten Endes ungehört.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12268059/mikkel-kessler-retires-boxing

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/mikkel-kessler-retiring-from-boxing/#more-187763

3. Februar 2015


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