Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PORTRAIT/101: Nachruf auf den britischen Promoter Mickey Duff (SB)




"Wenn du Loyalität willst, kauf dir einen Hund!"

Der legendäre englische Matchmaker, Manager und Promoter Mickey Duff ist im Alter von 84 Jahren an Herzversagen gestorben. Er zählte zu den prägenden Figuren des britischen Boxens der Nachkriegszeit und gilt als herausragender Repräsentant der goldenen Ära dieses Sports auf der Insel.

Er wurde am 7. Juni 1929 als Monek Prager in Krakau geboren. Sein Vater war ein Rabbiner, der Ende der 1930er Jahre mit seiner Familie aus Polen nach England emigrierte, als er die nationalsozialistische Verfolgung heraufziehen sah. Mickey Duff begann während des Zweiten Weltkriegs zu boxen und bestritt über hundert Amateurkämpfe, die er größtenteils gewann.

Bereits als 15jähriger und damit ein Jahr vor Erreichen der vorgeschriebenen Altersgrenze wechselte er ins Profilager, wo er im Leicht- und Weltergewicht antrat. Er bestritt 69 Kämpfe, von denen er nur acht verlor, doch da es ihm nicht gelang, sich in den Ranglisten zu plazieren, beendete er schon mit 19 Jahren seine aktive Laufbahn. Nachdem er kurze Zeit als Handelsvertreter für Nähmaschinen gearbeitet hatte, kehrte er zum Boxsport zurück und betätigte sich landesweit als Matchmaker.

Als sich Ende der 1950er Jahre der eiserne Griff des Promoters Jack Solomon zu lösen begann, der den britischen Boxsport bis dahin unnachgiebig kontrolliert hatte, stieg Duff als Matchmaker im Gespann mit dem Manager Jarvis Astaire und dem Promoter Harry Levine zu einer Schlüsselfigur der folgenden Jahrzehnte auf. Während dieser Zeit arbeitete er mit 19 Weltmeistern zusammen, darunter so gut wie jedem britischem Boxer von Rang wie Frank Bruno, Joe Calzaghe, John Conteh, Lloyd Honeyghan, Jim Watt, Alan Minter, Terry Downes und Howard Winstone wie auch den Titelträgern Maurice Hope, John Mugabi und Cornelius Boza Edwards. [1]

Im Laufe seiner höchst erfolgreichen Karriere als Matchmaker, Cornerman, Manager und Promoter hatte er in den 1970er und 1980er Jahren eine Monopolstellung in England inne und prägte in Verbindung mit der BBC das goldene Zeitalter der Fernsehübertragung von Boxkämpfen entscheidend mit. Zwangsläufig sah er sich harter Konkurrenz seitens rivalisierender Promoter wie auch Anfeindungen aus der Londoner Unterwelt ausgesetzt. Wie es heißt, hätten die Kray-Zwillinge, die als Gangster im East End ihr Unwesen trieben, einst seiner Frau eine Blumenschachtel geschickt, die eine tote Ratte enthielt, nachdem Duff den beiden den Zutritt zu einer Boxveranstaltung verwehrt hatte. Sein Stern begann jedoch erst zu sinken, als ihm der Konkurrent Frank Warren dank der Kooperation mit den Sendern ITV und Sky das Wasser abgrub und sich als führender britischen Promoter etablierte.

Nach mehreren Jahrzehnten der Präsenz im Boxsport zog sich Duff schließlich 1999 aus dem Geschäft zurück. Er hatte seinen Rücktritt angekündigt, sollte Billy Schwer den Kampf um den WBC-Titel im Leichtgewicht verlieren, und so kam es denn auch. Noch im selben Jahr wurde Mickey Duff in die Hall of Fame aufgenommen.

Barry Hearn, der selbst noch mit Duff zusammengearbeitet hat, twitterte: "Mit großer Bestürzung hörte ich die Nachricht, daß Mickey Duff heute gestorben ist. RIP legendärer Promoter." Stephen Powell sprach den Angehörigen im Namen des Verbands der Londoner Ex-Boxer sein Beileid aus. Damit ende die goldene Ära des britischen Boxens unwiderruflich, der Schlußstrich sei gezogen. Es werde nie wieder einen "wahren Mann des Boxens" wie diesen geben. [2]

John Conteh, der von 1974 bis 1977 WBC-Weltmeister im Halbschwergewicht war, würdigte Duffs Hingabe an den Boxsport, den er in all seinen Aspekten gekannt habe. Da Mickey selbst geboxt und sich aus harschen Lebensverhältnissen hochgekämpft habe, sei ihm die Herkunft seiner Schützlinge nur zu vertraut gewesen. Duff sei von Beginn seiner Profikarriere im Jahr 1971 bis zum Titelgewinn 1974 sein Promoter gewesen, so Conteh. Man habe als Boxer auf ihn gehört und ihm vertraut. Er sei ein großartiger Matchmaker gewesen und habe ihm den Weg ins Profilager geebnet. Damals mußte man einfach in London kämpfen, wollte man groß herauskommen. Mikey Duff habe Veranstaltungen in Wembley und der Royal Albert Hall auf die Beine gestellt.

Frank Warren würdigte Duff als einen der bedeutendsten Repräsentanten des britischen Boxsports in der Nachkriegszeit. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere sei er einer der scharfsinnigsten Matchmaker des Landes gewesen. Audley Harrison, Olympiasieger der Spiele 2000 im Superschwergewicht, sprach vom prägenden Einfluß dieser führenden Persönlichkeit auf die gesamte Branche. Barry McGuigan, ehemals WBA-Champion im Federgewicht und heute Präsident des britischen Profiverbands, charakterisierte den Verstorbenen als einen "Giganten des Boxens in einer anderen Zeit".

Mickey Duff starb am 22. März 2014. Man wird sich seiner als eines der kenntnisreichsten und vielseitigsten Protagonisten des Boxsports erinnern. Nicht zuletzt aber schreibt man ihm das geflügelte Wort zu: Wenn du Loyalität willst, kauf dir einen Hund! [3] Wie könnte man jenseits aller Schönfärberei und Mythenbildung die gruselige Quintessenz der sozialen Verhältnisse nicht nur im Boxsport treffender ausdrücken!


Fußnoten:

[1] http://www.ibhof.com/pages/about/inductees/nonparticipant/duff.html

[2] http://www.bbc.com/sport/0/boxing/26700744

[3] http://www.theguardian.com/sport/2014/mar/22/boxing-promoter-mickey-duff-dies-84

25. März 2014