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PORTRAIT/097: Tommy Morrison - "Große weiße Hoffnung" und Actionheld in "Rocky V" (SB)




Ehemaliger Schwergewichtschampion im Alter von 44 Jahren gestorben

Der ehemalige Schwergewichtsweltmeister Tommy Morrison ist im Alter von 44 Jahren gestorben. Er wurde Ende der 80er Jahre aufgrund seiner schnellen Siege als "große weiße Hoffnung" gehandelt und erlangte 1989 durch seinen Auftritt im Film "Rocky V" zusätzliche Popularität. An der Seite Sylvester Stallones spielte er den aufstrebenden Boxer Tommy "Machine" Gunn, der von Rocky trainiert und letztendlich sein Gegenspieler wird.

Der 1969 in Gravette, Arkansas, geborene Tommy Morrison war ein Großneffe John Waynes und nannte sich im Ring wie dieser "The Duke". Er begann schon als 13jähriger, sich mit Erwachsenen in sogenannten "Toughman"-Wettbewerben zu prügeln und erzielte dabei 49 Siege bei nur einer Niederlage. In seiner erfolgreichen Karriere als Amateurboxer bestritt er über 200 Kämpfe, von denen er eigenen Angaben zufolge 222 gewann und 20 verlor. 1988 errang er die Kansas Golden Gloves im Schwergewicht, doch unterlag er in der Qualifikation für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul dem späteren Goldmedaillengewinner Ray Mercer.

Morrison wechselte im November 1988 ins Profilager, wo er als charismatischer Weißer aus einer berühmten Familie mit seinem spektakulärem linken Haken Furore machte. Er gewann 28 Kämpfe in Folge, wobei er fast alle Gegner frühzeitig besiegte und auch Pinklon Thomas das Nachsehen gab. 1991 forderte er WBO-Weltmeister Ray Mercer heraus, den er anfangs klar dominierte. In der fünften Runde wendete sich jedoch das Blatt, als Morrison an den Seilen stehend K.o. ging, bevor er schließlich zusammensackte. Der Ringrichter ging viel zu spät dazwischen, so daß es nur durch glückliche Umstände nicht zu ersichtlichen Folgeschäden kam.

Ungeachtet seiner Popularität beim Publikum mußte Morrison auch Kritik einstecken, da ihm viele Sportjournalisten mangelnden Trainingseifer und ein Glaskinn nachsagten. Er wurde langsam wieder aufgebaut und brachte sich mit vorzeitigen Siegen über Joe Hipp und Carl Williams ins Gespräch. Im Juni 1993 bekam er die Chance, mit George Foreman um den vakanten WBO-Titel zu kämpfen. Gegen den körperlich überlegenen Routinier, der damals an seinem Comeback arbeitete, bot er in Las Vegas eine überzeugende boxerische Leistung, wie sie ihm nur wenige zugetraut hatten, und punktete den langsameren Gegner klar aus.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere strebte Morrison einen Vereinigungskampf gegen Lennox Lewis an, der ihm mehrere Millionen Dollar eingebracht hätte. Nach einer Titelverteidigung gegen den weithin unbekannten Tim Tomashek verlor er seinen Gürtel jedoch bereits im nächsten Kampf in Tulsa, Oklahoma, überraschend an den ebenfalls wenig bekannten Michael Bentt, der ihn gleich in der ersten Runde mit drei Niederschlägen besiegte. Spätestens seit diesem Debakel wurden Morrisons Nehmerfähigkeiten ernsthaft in Frage gestellt.

Sein Nimbus als gefürchteter Knockouter war gebrochen, und gegen den damals völlig unbekannten Ross Puritty reichte es nur zu einem Unentschieden, wobei er auch in diesem Kampf zweimal am Boden lag. Wesentlich besser behauptete er sich gegen Donovan Ruddock, den er in der sechsten Runde bezwang. Im Oktober 1995 trat er schließlich doch noch gegen Lennox Lewis an, der im Jahr zuvor seinen WBC-Titel verloren hatte. Morrison war chancenlos und unterlag dem Briten in der sechsten Runde. [1]

Im Februar 1996 wurde bei ihm das HI-Virus festgestellt. Daraufhin entzog ihm die Boxkommission von Nevada sofort die Lizenz, und er erklärte auf einer Pressekonferenz seine Karriere für beendet. Im November 1996 kehrte er jedoch noch einmal in den Ring zurück und besiegte Marcus Rhode in der ersten Runde. Morrison bestritt stets, sich mit dem Virus infiziert zu haben, zumal die Testergebnisse im Jahr 2006 alle negativ ausfielen, was auch für seine vier Kinder galt. Die ursprüngliche Diagnose führte er auf die Einnahme von Steroiden zurück.

Daraufhin nahm er Kontakt mit dem Promoter Peter McKinn auf, der ihn bei seinem Comeback unterstützte. Er erhielt schließlich in Arizona eine Lizenz unter der Auflage, daß ein Mitglied der örtlichen Boxkommission ihm beim Training zuschauen könne und eine Blutprobe für einen HIV-Test entnommen würde. Ein unabhängiges Labor testete Morrison am 16. Januar 2007 HIV-negativ, was allerdings nicht zwangsläufig bedeutete, daß keine Infektion vorlag. Durch die Medikamente könnte die Virenlast lediglich unter die Nachweisgrenze gesunken sein. Am 22. Februar 2007 gab er nach mehr als zehn Jahren und drei Monaten Ringabstinenz sein Comeback gegen John Castle und besiegte ihn durch K.o. in der zweiten Runde. Bei seinem letzten Auftritt, der wie der vorangegangene eher als Showkampf einzustufen war, setzte er sich am 9. Februar 2008 in Mexiko in der dritten Runde gegen Matt Weisshar durch. Morrison beschloß seine Karriere mit einer Bilanz von 48 Siegen (42 davon vorzeitig), drei K.o.-Niederlagen und einem Unentschieden.

Wie sein langjähriger Promoter und enger Freund, Tony Holden, berichtet, sei Tommy ein ausgesprochener Sturkopf gewesen, der stets auf seine eigene Sichtweise bestanden habe. Darüber sei es viele Male zum Streit gekommen, doch habe ihre Freundschaft allen Kontroversen standgehalten. Morrison geriet im Laufe der Zeit mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und wurde schließlich 2000 zu zwei Jahren Haft und 2002 wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen zu einem weiteren Jahr verurteilt. In jüngerer Zeit verschwand er zunehmend aus dem Fokus öffentlicher Wahrnehmung, und sein Versuch, dem Boxsport durch die Eröffnung eines Gyms in Wichita, Kansas, verbunden zu bleiben, war nicht von langer Dauer. [2]

Morrison hatte Medienberichte zufolge immer wieder mit Drogen- und Alkoholproblemen sowie bereits seit Jahren mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen. Aktuelle Fotos zeigten, daß sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechterte, was seiner Frau Trisha zufolge aber nicht auf HIV oder AIDS, sondern vielmehr das Guillain-Barré-Syndrom zurückzuführen war. Tommy Morrison starb nach Angaben Tony Holdens am 1. September im Beisein seiner Frau in einem Krankenhaus in Omaha, Nebraska.

Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/ex-weltmeister-tommy-morrison-im-alter-von-44-jahren-gestorben-28700

[2] http://abcnews.go.com/Sports/wireStory/boxer-tommy-morrison-dies-44-20135661?page=2

3. September 2013