Im Duett mit Don King eine schillernde Figur des Boxgeschäfts
Auf dem jährlichen Konvent des World Boxing Council (WBC), der dieser Tage im mexikanischen Cancún stattfindet, ist der inzwischen 80 Jahre alte José Sulaimán in seinem Amt als WBC-Präsident bestätigt worden. Der Mexikaner wird daher noch vier weitere Jahre an der Spitze des Weltverbandes stehen. Sulaimán bedankte sich für die einstimmige Entscheidung mit den Worten: "Boxen ist mein Leben. Das ist eine Bestätigung. Es beruhigt mich zu sehen, daß ich von allen akzeptiert werde und meine Position respektiert wird."
Der Verband WBC wurde am 14. Februar 1963 in Mexiko-Stadt gegründet und setzte sich damit als erster von der World Boxing Association (WBA) ab. Indessen benannte er erst 1978 mit Ken Norton einen eigenen Schwergewichtsweltmeister, als dieser nicht gegen Leon Spinks antreten konnte. Das WBC gilt als einer der am geschicktesten geführten Weltverbände mit 161 Landesverbänden und neun Kontinentalverbänden sowie zahlreichen namhaften Titelträgern. Im Jahr 1983 wurde die IBF gegründet, die mit Larry Holmes gleich einen bekannten Schwergewichtler hatte. 1988 etablierten sich die WBO sowie fast ein Dutzend weiterer kleiner Verbände, die nur eine marginale Rolle spielten.
Das WBC schien einer ungewissen Zukunft entgegenzusteuern, ja möglicherweise sogar bankrott zu gehen, als ein New Yorker Gericht am 7. Mai 2003 dem deutschen Halbschwergewichtler Graciano Rocchigiani die Summe von 31 Millionen Dollar als Entschädigung zusprach, weil ihn der Verband um den regulär erkämpften Titel geprellt habe. Zuvor hatte der amtierende Weltmeister Roy Jones jun. seine Absicht bekundet, die Gewichtsklasse zu wechseln. Daraufhin arrangierte das WBC einen Kampf um den vermeintlich vakanten Titel zwischen Rocchigiani und Michael Nunn, den der Deutsche gewann. Als Jones von seinen Plänen Abstand nahm, erhielt er vom Verband den Titel zurück. Rocchigiani wurde mit der Erklärung abgespeist, es habe sich um einen Irrtum gehandelt, woraufhin er den Verband verklagte. Nachdem das Urteil ergangen war, stellte das WBC Konkursantrag und erwirkte schließlich einen Vergleich. Mitte Juli 2004 ging Rocchigiani auf das Vergleichsangebot von 4,5 Millionen Dollar ein. Im November erhielt er die erste Auszahlung in Höhe von 1,5 Millionen Dollar. Der Rest sollte in Form jährlicher Raten abgewickelt werden.
Die Geschichte des WBC wird seit Jahrzehnten von dem 1931 in Ciudad Victoria geborenen José Sulaimán Chagnón geprägt. Dieser war Amateurboxer, Trainer, Ringrichter und Promoter, doch was ihm am besten lag, war die Verbandsarbeit. Bereits im Alter von 16 Jahren gehörte er der Boxkommission in San Luis Potosí an. 1968 schloß er sich dem World Boxing Council an, in dessen Rängen er zügig aufstieg. Sulaimán wurde am 5. Dezember 1975 einstimmig zum Präsidenten des WBC gewählt und hat dieses Amt seither ununterbrochen inne.
Unter seiner Führung etablierte der Verband eine ganze Reihe neuer Regeln und Maßnahmen zugunsten größerer Sicherheit der Boxer. So wurde unter anderem die Rundenzahl bei Titelkämpfen von 15 auf 12 reduziert, das offizielle Wiegen 24 Stunden vor jedem Kampf eingeführt, die Zahl der Gewichtsklassen erhöht, die ärztliche Versorgung verbessert und ein Fonds zur Unterstützung der Erforschung von Hirnverletzungen an der UCLA eingerichtet.
Während Sulaimáns Zeit als Präsident hat der Verband mehr als 1.100 Titelkämpfe sanktioniert, 300 Weltmeister gekürt und weltweit Fuß gefaßt. Als erfolgreicher Geschäftsmann leitet Sulaimán, der sechs Sprachen spricht, ein Unternehmen für medizinischen Bedarf. Am 10. Juni 2007 wurde er mit der Aufnahme in die International Boxing Hall of Fame geehrt.
Das gefiel nicht jedem, da José Sulaimán eine ebenso einflußreiche wie umstrittene Figur des professionellen Boxsports ist. Wiederholt wurden Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut, und oftmals warf man ihm vor, er lege die Regeln des Verbands nach den Bedürfnissen Don Kings aus. Mancher sah in ihm eher einen Juniorpartner des mächtigen Promoters als einen unabhängigen Verbandspräsidenten. Konkurrierende Manager und Promoter wie Mickey Duff in England oder Lou Duva und Shelly Finkel in den USA hielten mit ihrer Auffassung nicht hinter dem Berg, daß das Gespann aus Don King und José Sulaimán Kämpfe manipuliere und seinen Einfluß stetig ausweite. Der Verbandspräsident hat indessen alle Angriffe abgeschlagen und sitzt vermutlich noch solange fest im Sattel, bis er selbst aus Altergründen beschließt, daß ein Nachfolger sein Werk fortsetzen möge.
Für das kommende Jahr hat das WBC einen World Cup geplant, bei dem professionelle Boxer in einem Turnierformat gegeneinander antreten werden. Des weiteren soll eine Pensionsversicherung für ehemalige Boxer vorgestellt werden. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, daß der mexikanische Verband seiner berüchtigten Gepflogenheit treu bleiben wird, eine Flut von Vorausscheidungskämpfen, Qualifikationen, Silbergürteln, Diamanttiteln und natürlich auch ganz normalen Weltmeistern zu produzieren.
6. Dezember 2012