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PORTRAIT/070: Olympiasieger Gennadi Schatkow 71jährig gestorben (SB)


1956 Gold in Melbourne - 1960 in Rom an Cassius Clay gescheitert


Im Alter von 77 Jahren ist Gennadi Schatkow am 14. Januar 2009 nach langer Krankheit in seiner Heimatstadt St. Petersburg gestorben. Er gewann bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne die Goldmedaille im Mittelgewicht und war zweimal Europameister. Bei den Olympischen Sommerspielen 1960 in Rom schied er im Viertelfinale gegen den erst 18jährigen Cassius Clay aus. Daraufhin beendete er seine aktive Laufbahn, doch blieb er dem Boxsport als Buchautor verbunden.

Gennadi Iwanowitsch Schatkow wurde am 27. Mai 1932 in Leningrad geboren. Im Alter von zwölf Jahren begann er in einem Pionierklub seiner Heimatstadt mit dem Boxen, wobei A. Schdanow und Iwan Ossipow seine ersten Trainer waren. Sein Potential deutete sich erstmals 1949 an, als er bei der sowjetischen Jugendmeisterschaft in Rostow am Don in seiner Gewichtsklasse den dritten Platz belegte.

Neben seiner Laufbahn als Amateurboxer vernachlässigte Schatkow auch die schulische und schließlich akademische Ausbildung nicht. So schloß er 1951 die Oberschule ab und nahm an der Universität von Leningrad ein Jurastudium auf. Während seiner Studentenzeit gehörte er als Boxer dem Klub "Burewestnik" Leningrad an und feierte seinen ersten großen Erfolg bei den Senioren, als er die Stadtmeisterschaft im Halbmittelgewicht gewann. Im Jahr 1953 belegte er bei der Meisterschaft der Sowjetunion in derselben Gewichtsklasse den dritten Platz und 1954 wurde er bei den nationalen Titelkämpfen Zweiter im Mittelgewicht.

Bei der sowjetischen Meisterschaft des Jahres 1955 gelang dem konditionsstarken Konterboxer mit einem Punktsieg im Finale des Mittelgewichts gegen Boris Nasarenko schließlich der Durchbruch. Nach diesem Erfolg wurde Schatkow für die Europameisterschaft nominiert, die im Mai 1955 in Westberlin stattfand. Vom sowjetischen Verbandstrainer Sergei Tscherbakow hervorragend vorbereitet, trat er bei diesem Turnier in Bestform an und erreichte mit klaren Punktsiegen das Halbfinale. Dort traf er auf den Titelverteidiger Dieter Wemhöner, der in seiner Heimatstadt den Sieg von 1953 wiederholen wollte. In einem ausgeglichenen Kampf setzte sich Gennadi Schatkow knapp nach Punkten durch, worauf er im Finale gegen den Europameister von 1951, Stig Sjölin aus Schweden, antrat. Dabei boxte Schatkow in den ersten beiden Runden einen so deutlichen Vorsprung heraus, daß ihm Sjölin mit seiner Schlußoffensive den Titel des Europameisters nicht mehr streitig machen konnte.

Dank eines Sieges bei der 1. Spartakiade der Sowjetunion qualifizierte sich Gennadi Schatkow 1956 für die Olympischen Spiele in Melbourne. In diesem Turnier zeigte er die wohl besten Kämpfe seiner internationalen Laufbahn und ließ dem Kanadier Ralph Hosack, Giulio Rinaldi aus Italien und schließlich dem Argentinier Víctor Zalazar keine Chance. Im Finale traf er auf den chilenischen Außenseiter Ramon Tapia, der ihm nicht gewachsen war und sich bereits in der ersten Runde geschlagen geben mußte. Der Lohn war die Goldmedaille, mit der Schatkow den Gipfel seiner Karriere als Amateurboxer erklommen hatte.

Im folgenden Jahr trat er bei der sowjetischen Meisterschaft nicht in Bestform an und verlor das Finale des Mittelgewichts gegen Askold Lasota. Dennoch wurde er für die Europameisterschaft in Prag nominiert, wo er jedoch in keiner besseren Verfassung war und im Viertelfinale an dem Jugoslawen Dragoslav Jakovljevic scheiterte, der ihn zweimal am Boden hatte.

Im Jahr 1958 wurde Gennadi Schatkow erneut sowjetischer Meister im Mittelgewicht. Ein Jahr später nahm er nicht an den nationalen Titelkämpfen teil, bei denen Waleri Popentschenko in dieser Gewichtsklasse gewann, als deren bester sowjetischer Boxer er bald galt. Dennoch wurde Schatkow zur Europameisterschaft 1959 nach Luzern entsandt, wo er das Vertrauen des Cheftrainers rechtfertigte und mit einem Punktsieg im Finale gegen den Polen Tadeusz Walasek seinen zweiten Europameistertitel gewann.

Bei der sowjetischen Meisterschaft 1960 schied Gennadi Schatkow schon im Viertelfinale aus. Im Halbschwergewicht sicherte sich Askold Lasota die Meisterehren, von dem Cheftrainer Tscherbakow jedoch mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in Rom nicht viel erwartete. Daher überredete er Gennadi Schatkow, dort im Halbschwergewicht anzutreten. Dieser kam dem Wunsch seines Trainers nach, reiste mit der russischen Mannschaft in die italienische Hauptstadt und startete mit einem Sieg ins olympische Turnier. Im Viertelfinale traf er auf einen erst 18 Jahre alten schwarzen US-amerikanischen Boxer namens Cassius Clay, über den man in der sowjetischen Mannschaft wenig wußte. Dieser junge Gegner war nicht nur zu schnell für Schatkow, sondern ging gegen den erfahrenen Russen auch so souverän zu Werke, daß er mit 5:0 Richterstimmen gewann.

Nach den Olympischen Spielen in Rom beendete Gennadi Schatkow seine Laufbahn als Leistungssportler. Er schloß 1962 sein Jurastudium ab und wurde bereits zwei Jahre später Pro-Rektor der Universität von Leningrad. Ausgezeichnet mit dem Lenin-Orden, der höchsten Auszeichnung, die die Sowjetunion vergab, blieb er dem Boxen zeitlebens verbunden. So veröffentliche er sieben Bücher, die sich vorwiegend mit Themen aus dem Bereich des Sports befaßten. Die in der Sowjetunion populärsten Werke waren "Der große Ring" (1963), "Harte Runden" (1979) und "Der junge Boxer" (1982).

17. Januar 2009