Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PORTRAIT/066: Edip Sekowitsch vor seinem Lokal in Wien erstochen (SB)



Gebürtiger Serbe war Welt- und Europameister im Superweltergewicht

Der frühere Welt- und Europameister im Superweltergewicht, Edip Sekowitsch, der zu den populärsten Boxern Österreichs zählte, ist bei einer Auseinandersetzung vor seinem eigenen Lokal in Wien mit mehreren Messerstichen getötet worden. Wie erste Ermittlungen der Polizei ergaben, war der 50jährige in einen Streit mit Gästen seines Lokals "Champ's Pub" verwickelt, der sich auf die Straße verlagerte. Dort fügte einer der Kontrahenten dem Familienvater die tödlichen Verletzungen zu. Entdeckt wurde die Leiche vom Sohn des Opfers, der vom Haus aus vor dem Lokal seines Vaters jemand liegen sah, ohne dabei zu wissen, daß es sich bei dem Toten um seinen Vater handelte.

Die eintreffende Polizei fand diesen mit zerrissenem Hemd und mehreren Einstichen im Oberkörper in einer Blutlache liegend. Die Beamten konnten noch am Tatort einen Verdächtigen festnehmen, der Verletzungen an Stirn und Nase aufwies, stark betrunken war und blutverschmierte Kleidung trug. Bei dem Mann handelt es sich um einen 26jährigen Russen, der nicht deutsch spricht und bei der Vernehmung ausgesagt haben soll, er könne sich an nichts erinnern. Angeblich wollte er ursprünglich vom nahegelegenen Südbahnhof aus eine Reise antreten, doch sei er dann ins Lokal gegangen und habe dort getrunken. Die vermutliche Tatwaffe, mit der der Täter mindestens fünfmal zugestochen hat, wurde unmittelbar neben dem Tatort gefunden. Zeugenaussagen zufolge war eine weitere Person an dem Streit beteiligt, nach der die Polizei nun fahndet.

Edip Sekowitsch (früher Secovic) wurde am 28. Januar 1958 im jugoslawischen Paljevo geboren. Der als "Stier von Serbien" bekannte Boxer war vierfacher serbischer Jugendmeister und absolvierte 180 Amateurkämpfe. Im Jahr 1980 wechselte er ins Profilager und wanderte bald darauf nach Österreich aus. Er wurde 1983 österreichischer Meister im Mittelgewicht und feierte seinen ersten internationalen Triumph mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Superweltergewicht nach Version des kleinen Verbands WAA im Juni 1988. Seine große Stunde schlug dann am 11. Juni 1989, als er den Deutsch-Spanier José Varela in Rüsselsheim nach 5:17 Minuten ausknockte und damit Europameister wurde.

Zwei Monate später war er den Titel allerdings schon wieder los, da er am 20. August 1989 in Terracina gegen den Sizilianer Giuseppe Leto durch K.o. verlor. Diese Niederlage war unmittelbare Folge einer mißlungenen Vorbereitung, da Sekowitsch zunächst weit über dem Gewichtslimit von 69,83 kg lag. Um das vorgeschriebene Kampfgewicht doch noch zu erreichen, unterzog er sich einer regelrechten Tortur. Die letzten beiden Tage vor dem Kampf aß und trank er nicht, sondern nahm nur Entwässerungstabletten zu sich. Als er beim ersten Test dennoch zu schwer war, absolvierte er bei 45 Grad einen Strandlauf, setzte sich in seinem Auto Temperaturen von mehr als 70 Grad aus, arbeitete mit dem Springseil und zog sich schließlich beim offiziellen Wiegen vollständig aus. Als der Titelverteidiger tatsächlich im Limit geblieben war, ließ er sich vor Freude eine halbe Obsttorte, einen Liter Orangensaft und eine Flasche Mineralwasser bringen. Den Substanzverlust konnte er jedoch nicht mehr wettmachen.

Die Niederlage in Italien markierte den Wendepunkt in der Laufbahn des beliebten österreichischen Boxers. Im November 1989 mußte der damals ins Mittelgewicht aufgestiegene Sekowitsch in einem Kampf des WBC in Mödling gegen den Argentinier Hugo Antonio Corti eine klare Punktniederlage hinnehmen, worauf er seine Karriere für beendet erklärte.

Im März 1991 trieb es "Schesko" jedoch schon wieder zurück in den Ring. Er besiegte den US-Amerikaner Eric Cole, um wenige Wochen später erneut seinen Rücktritt zu erklären, den er zunächst 1993 wiederrief, bis er durch Disqualifikation gegen Salvatore di Salvatore verlor. Vier Jahre später sah man ihn erneut im Ring, wo er mehrere Siege gegen weithin unbekannte Gegner erzielte. Dann verlor er einen Titelkampf der kleinen UBF im Supermittelgewicht in der Wiener Lugner City gegen den Kolumbianer Juan Carlos Viloria. Im Oktober 2000 feierte er schließlich mit einem Sieg über den Südafrikaner Jongi Gibson-Kamka seinen offiziellen Abschied.

Am 1. Juni 2008 ließ der inzwischen 50jährige zum letzten Mal bei einem Comeback die Fäuste sprechen und schlug in der Wiener Lugner City den 26jährigen Deutschen Steve Klockow in der ersten Runde nieder. Die Zuschauer jubelten ihrem "Schesko" zu und dankten es ihm noch einmal, daß er dem österreichischen Boxsport Ende der 1980er Jahre als "Stier aus Serbien" einen neuen Helden geschenkt hatte.

In seiner Laufbahn als Profi absolvierte er 40 Kämpfe, von denen er 30 gewinnen konnte, davon 23 durch Knockout. Er verlor neun Ringauftritte und boxte einmal unentschieden. Neben seiner Boxkarriere eröffnete er Anfang der 1990er Jahre in Wien-Wieden zunächst das Lokal "Ring Frei" und nahm später "Champ's Pub" dazu. Er blieb dem Boxsport weiterhin verbunden und war gerngesehener Gast bei allen Kämpfen im näheren Umkreis. "Wenn ich wieder auf die Welt komme, möchte ich wieder Boxer werden. Hoffentlich kann der liebe Gott das so einrichten", schrieb er einmal auf seiner Homepage.

Eine andere seiner Aussagen bestätigte sich gestern auf tragische Weise: "Außerhalb des Rings, im sogenannten Lebenskampf, geht es meist noch viel brutaler zu als bei uns. Da gibt es keine Regeln, keine Ringrichter, und alle Schläge - auch jene unter der Gürtellinie - sind erlaubt." Edip Sekowitsch starb am 26. August 2008 in Wien-Wieden. Er hinterläßt eine Frau und drei Kinder.

27. August 2008