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PORTRAIT/064: Arthur Abraham will die USA im Sturm erobern (SB)



Revanche gegen Edison Miranda soll sein Türöffner werden

Heute reist Arthur Abraham zusammen mit seinem Trainer Ulli Wegner in die USA, wo es am 21. Juni in der Seminole Hard Rock Arena von Hollywood, Florida, zu einer Neuauflage des Kampfs gegen Edison Miranda kommt. Der 29jährige IBF-Weltmeister im Mittelgewicht aus dem Sauerland-Boxstall hat sich zunächst im Trainingslager in Zinnowitz und dann mit Sparring im Berliner Max-Schmeling-Gym auf sein US-Debüt vorbereitet. Vor 3.000 Zuschauern im Saal und den laufenden Kameras des Pay-TV-Senders Showtime will Abraham den Grundstein für weitere Auftritte in den USA legen.

Arthur Abraham, der eigentlich Awetik Abrahamjan heißt, wurde am 20. Februar 1980 in Eriwan, Armenien, geboren. Er kam 1995 gemeinsam mit den Eltern und seinem Bruder Alexander ins fränkische Bamberg, wo er den Beruf des Schreiners erlernte. Als Jugendlicher fuhr er Radrennen für Concordia Strullendorf und wurde nordbayerischer und fränkischer Jugendmeister. Die Übertragungen großer Kämpfe im Fernsehen begeisterten ihn für den Kampfsport, wobei er zunächst in Nürnberg mit dem Kickboxen begann und dann wie sein Bruder als Amateurboxer dem 1. FC Nürnberg angehörte. Parallel dazu boxte er auch für die Ligastaffel des BC Eichstätt und war später beim ETSV Bamberg aktiv, wo er von Uwe Schulz trainiert wurde, der ihn 1997 zum Internationalen Deutschen Meistertitel der Junioren im Mittelgewicht führte. Er bestritt als Amateur insgesamt 90 Kämpfe, von denen er 81 gewann, drei verlor und sechs unentschieden beendete.

Zusammen mit seinem Bruder kehrte er 1999 zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele nach Armenien zurück, wo er bis 2001 seinen Wehrdienst leistete und mehrfacher Landesmeister wurde. Nach einer kurzen aber erfolgreichen Amateurkarriere und dem Ende des Wehrdienstes kamen die beiden 2003 erneut nach Deutschland, wo sie noch im selben Jahr Profis bei Promoter Wilfried Sauerland wurden. Zunächst verpflichtete man Abraham jedoch nur für 75 Euro pro Sparring als Partner Sven Ottkes, der damals Weltmeister im Supermittelgewicht war. Dessen Trainer Ulli Wegner hatte jedoch einen Blick für das Potential das jungen Armeniers, den er einen "Rohdiamanten" nannte.

Am 16. August 2003 debütierte Abraham als Profiboxer und besiegte früh in seiner Karriere mehrere überdurchschnittliche Aufbaugegner. So gewann er unter anderen gegen Nader Hamdan, der bis dahin eine Bilanz von 36 Siegen und nur einer Punktniederlage hatte, wie auch Hector Velazco durch K.o. sowie den Kanadier Ian Gardner nach Punkten. Im Juli 2005 verteidigte er den Intercontinental-Titel der WBA mit einem Punktsieg über den hoch eingeschätzten Briten Howard Eastman, den das "Ring Magazine" damals unter den zehn weltbesten Boxern dieser Gewichtsklasse führte.

Zu Anfang seiner Profikarriere marschierten Abraham und Trainer Wegner mit riesigen Schlumpfmützen ein, wozu das "Lied der Schlümpfe" in einer auf ihn zugetexteten Version eingespielt oder später bei Titelkämpfen von Vader Abraham gesungen wurde. So lächerlich diese Vermarktungsidee der Sauerland-Promotion auch anmutete, verschaffte sie Abraham doch vor allem in der Boulevardpresse hohen Wiedererkennungswert. Im August 2006 wurde ihm jedoch die Nutzung der Comicfiguren und des Liedes für Boxveranstaltungen von den Rechteinhabern mittels einer Unterlassungserklärung verboten. Daraufhin wurde aus dem "Schlumpf Abraham" der "King Arthur" und die Mütze durch eine Krone ersetzt.

Unangefochtener König des Mittelgewichts war zu dieser Zeit Jermain Taylor, der die Titel aller vier maßgeblichen Verbände in seinen Besitz brachte. Im Oktober 2005 erkannte ihm die IBF ihren Titel ab, der damit vakant war. Am 10. Dezember 2005 kam es zu einem Kampf um den verwaisten Gürtel, den Abraham durch einen K.o-Sieg gegen den hochgehandelten Nigerianer Kingsley Ikeke gewann.

Als neuer IBF-Weltmeister verteidigte Abraham seinen Titel am 5. März 2006 durch einen klaren Punktsieg gegen den Australier Shannan Taylor. Nur zwei Monate später gewann er die zweite Titelverteidigung gegen Kofi Jantuah ebenfalls nach Punkten.

Ende August 2006 nahm Abraham, der mit seinem Bruder in Berlin lebt, die deutsche Staatsbürgerschaft an, wofür er die armenische ablegen mußte. Sein Bruder Alexander hingegen blieb armenischer Staatsbürger.

Am 23. September 2006 kam es in der Rittal-Arena von Wetzlar zu dem denkwürdigen Kampf gegen Edison Miranda, in dem Abraham die letzten acht Runden stark blutend mit doppelt gebrochenem Kiefer boxte und seinen Titel durch einen Punktsieg erfolgreich verteidigte. Hinterher begab er sich sofort ins Krankenhaus, wo man den Unterkiefer mit zwei Titanplatten fixierte. Weltweit haben etliche Profiboxer mit einem gebrochenen Kiefer weitergekämpft, aber keiner außer ihm hat das acht Runden durchgehalten, den Kampf gewonnen und den Weltmeistertitel erfolgreich verteidigt. Mit diesem Auftritt, dessen Für und Wider noch lange die Gemüter erhitzte, machte sich Abraham weit über den Kreis ausgesprochener Boxfans hinaus als "Blutboxer" einen Namen.

Am 26. Mai 2007 verteidigte er seinen Titel in Bamberg freiwillig gegen den Frankokanadier Sebastien Demers, der ihm nicht gewachsen war und sich durch K.o. in der dritten Runde geschlagen geben mußte. Es folgte am 18. August 2007 ein Kampf gegen Khoren Gevor aus dem Universum-Boxstall, der als Pflichtherausforderer antrat und sich als der erwartet robuste Gegner erwies. Anfangs machte vor allem Gevor Druck, doch mit der Zeit wendete Abraham das Blatt und erzielte immer häufiger Wirkungstreffer, die der Herausforderer aber alle wegsteckte. Trainer Fritz Sdunek wollte seinen Schützling aus dem Kampf nehmen, für den eine Aufgabe jedoch nicht in Frage kam, bis ihn schließlich ein linker Haken in der elften Runde besinnungslos zu Boden schickte.

Die folgende Titelverteidigung gewann Abraham am 8. Dezember 2007 gegen Wayne Elcock durch technischen K.o. in der fünften Runde. Nicht viel besser erging es am 29. März 2008 dem US-Amerikaner Elvin Ayala, der sich allerdings erst in der letzten Runde geschlagen geben mußte.

In wenigen Tagen gewährt Arthur Abraham nun seinem alten Rivalen Edison Miranda die Revanche, bei der es sich allerdings um keine Titelverteidigung handelt, da der Kolumbianer inzwischen im Supermittelgewicht boxt. Vereinbart wurde das inoffizielle Limit von 75,3 kg. Beide nutzen den Ruf ihres ersten Duells, um sich in den USA bekannt zu machen und für lukrative Kämpfe gegen die dortigen Stars zu empfehlen. Der 28jährige Berliner, der in 26 Profikämpfen ungeschlagen ist, denkt dabei natürlich vor allem an Kelly Pavlik, der die Titel von WBC und WBO im Mittelgewicht besitzt. Der 25 Jahre alte Champion aus Youngstown, Ohio, hat kürzlich in Atlantic City den Waliser Gary Lockett in der dritten Runde besiegt und damit auch seinen 34. Kampf ungeschlagen absolviert, wobei er nun 30 vorzeitige Siege auf dem Konto hat. Seit seinen beiden gewonnenen Kämpfen gegen Jermain Taylor wird er als weltbester Boxer dieser Gewichtsklasse gehandelt. Das sieht Arthur Abraham natürlich anders, der auf eine Gelegenheit hofft, seine Auffassung im Ring unter Beweis zu stellen.

10. Juni 2008