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PORTRAIT/061: Ein Rückschlag wirft Marco Huck nicht aus der Bahn (SB)



Die erste Niederlage war offenbar eine heilsame Lektion

Der Cruisergewichtler Marco Huck steht bei Promoter Wilfried Sauerland unter Vertrag und wird von Ulli Wegner trainiert. Geboren wurde er am 11. November 1984 im Sandschak, das im heutigen Serbien liegt. Der deutsche Boxer bosniakischer Herkunft heißt eigentlich Muamer Hukic, doch gab man ihm zur Beförderung seiner Karriere einen Namen, der leichter über die deutsche Zunge geht. Im Alter von acht Jahren kam er mit seinen Eltern nach Deutschland, wo er in Bielefeld aufwuchs.

Seine sportliche Leidenschaft galt zunächst dem Kickboxen, in dem er es trainiert von Ulf Schmidt im Alter von 16 Jahren zum Europameister und mit 18 zum Weltmeister im Vollkontakt brachte. Im Oktober 2003 bescherte er der deutschen Mannschaft damit in Frankreich den ersten Titelgewinn seit zehn Jahren. Zugleich war er mit seinem Punktsieg im Finale von Paris der jüngste deutsche Vollkontakt-Weltmeister aller Zeiten.

Es folgte der Wechsel zum Boxsport, wo er für den BC Vorwärts Bielefeld 15 Amateurkämpfe bestritt und allesamt gewann. Im Jahr 2004 entschloß er sich zu einer Profikarriere und besuchte das Training des Sauerland-Teams, bei dem er im Sparring mit Cengiz Koç eine so gute Figur machte, daß er einen Vertrag erhielt und fortan von Ulli Wegner betreut wurde.

So feierte Marco Huck am 7. November 2004 sein Debüt als Berufsboxer, das mit einem technischen K.o. gleich in der ersten Runde gegen den Tschechen Pavel Cirok ganz nach Wunsch verlief. Weitere Siege sollten folgen, die der inzwischen nach Berlin umgezogene Cruisergewichtler zu einer ganzen Serie ausbaute. Er gewann unter anderem gegen Rüdiger May und den US-Amerikaner Michael Simms nach Punkten.

Mit seinem offensiven Boxstil kam er gut beim Publikum an, dem es bei seinen Auftritten selten langweilig wurde. Allerdings war er auch leicht zu provozieren und ließ sich dann zu überstürzten, mitunter auch regelwidrigen Aktionen hinreißen. Dies gipfelte in einem Kampf am 16. Dezember 2006 gegen den italienischen Rechtsausleger Pietro Aurino, in dem der vakante Titel des Europameisters vergeben wurde. Die beiden bearbeiteten einander von Beginn an so heftig, daß der Ringrichter eine wilde Rangelei in der zweiten Runde nicht mehr unterbinden konnte. Nach zwei absichtlichen Kopfstößen Aurinos revanchierte sich Huck mit einem Kniestoß, der den Italiener allerdings nicht voll traf. Nachdem die Streithähne endlich getrennt werden konnten, bekam Aurino zwei Punkte abgezogen, während Hucks Kniestoß nicht geahndet wurde. Erbost verließ der Italiener den Ring, worauf er dem Reglement der EBU entsprechend disqualifiziert wurde. Die Kontroverse setzte sich später am grünen Tisch fort, bis der Kampf schließlich als technischer K.o. zugunsten Marco Hucks gewertet wurde.

Als neuer Europameister verteidigte er seinen Titel am 20. Januar 2007 in Basel durch einen Punktsieg gegen den Belgier Ismail Abdoul. Dann folgte am 26. Mai 2007 ein Ausscheidungskampf der IBF, in dem der ebenfalls unbesiegte Russe Wadim Tokarew sein Gegner war. Huck gewann auch dieses Duell nach Punkten und qualifizierte sich damit für die Herausforderung des amtierenden IBF-Weltmeisters Steve Cunningham.

In diesem Titelkampf, der am 29. Dezember 2007 in seiner Heimatstadt Bielefeld über die Bühne ging, war Huck nur in den ersten drei Runden der aktivere Boxer. Danach übernahm der Amerikaner die Initiative und manövrierte den wild anrennenden Herausforderer immer häufiger aus. Der Champion aus Philadelphia boxte taktisch klug und variantenreicher, sammelte fleißig Punkte und brachte den Lokalmatador schließlich derart in Bedrängnis, daß Trainer Wegner eine Minute vor dem Schlußgong das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf. Während Steve Cunningham also IBF-Weltmeister blieb und seine Bilanz auf 21 Siege in 22 Kämpfen ausbaute, mußte sich Marco Huck in seinem 20. Profikampf erstmals geschlagen geben.

Trotz dieser Niederlage wurde er von den Zuschauern in der Bielefelder Seidensticker Halle mit stehenden Ovationen gefeiert, da er einen mutigen Kampf geliefert hatte. Huck entschuldigte sich bei den Fans und versprach ihnen noch im Ring, daß er wiederkommen werde. Gar nicht erfreut war Trainer Ulli Wegner über die bittere Lehrstunde seines Schützlings, der sich eine heftige Standpauke anhören mußte. "Er hat taktisch versagt und alles vergessen, was ich ihm mit auf den Weg gegeben hatte", schimpfte Wegner. "Er war hilflos gewesen. Ich wollte ihn nicht abschlachten lassen", begründete der Trainer die Aufgabe.

Diese Kontroverse sollte ein Nachspiel haben, denn Marco Huck trennte sich im Februar 2008 von Ulli Wegner, um sich fortan von Manfred Wolke trainieren zu lassen. Wie der 23-Jährige erklärte, sei er noch jung und könne eine ganze Menge lernen. Er fühle sich beim Boxen zu Hause, da das anstrengende Training seinem Temperament sehr entgegenkomme. Im Kampf verlasse er sich nicht gern auf das Urteil der Punktrichter, weshalb er stets bestrebt sei, vorzeitig zu gewinnen. Der Lohn komme hinterher: "Wenn der Ringrichter deinen Arm hebt und dich dadurch zum Sieger erklärt, das ist einfach ein unbeschreibliches Glücksgefühl." Er kenne im Ring keine Angst und wolle gegen die besten Boxer seiner Gewichtsklasse antreten, um Weltmeister zu werden.

Um das zu schaffen, muß Huck jedoch noch beträchtliche Fortschritte bei seinen technischen Fähigkeiten wie auch in taktischer Hinsicht machen. Daß ihn der Rückschlag nicht aus der Bahn geworfen hat, unterstrich er bei seinem Comeback am 12. April im Jahnsportforum Neubrandenburg mit einem vorzeitigen Sieg gegen Leon Nzama. Er verlängerte seinen Vertrag bei Promoter Sauerland und kehrte zu Ulli Wegner zurück, was darauf schließen läßt, daß das Kriegsbeil begraben und der sachliche Teil der Kritik bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

Am 17. Mai wird der Ex-Europameister erneut im Ring zu sehen sein, wenn er in der Bayreuther Oberfrankenhalle auf den Slowaken Frantisek Kasanic trifft. Im Berliner Max-Schmeling-Gym bereitet er sich derzeit beim Sparring intensiv auf den kommenden Auftritt vor, der seinen Worten zufolge unterstreichen soll, daß er sich auf einem guten Weg befindet.

13. Mai 2008