Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PORTRAIT/060: Trainer Manfred Wolke feiert seinen 65. Geburtstag (SB)


Sein Name ist untrennbar mit dem Henry Maskes verbunden


Heute feiert Trainer Manfred Wolke seinen 65. Geburtstag. Inzwischen ist es still geworden um den Mann, der einst als erfolgreichster Boxtrainer Deutschlands galt. Seine erste Begegnung mit dem Boxsport hatte er in Babelsberg, rund 100 Kilometer von seiner heutigen Heimatstadt Frankfurt/Oder entfernt, wo er als Junge von der Straße angesprochen wurde, ob er nicht Boxer werden wolle. Er ging hin, um sich die Sache einmal anzuschauen, und blieb dabei.

Wolke war selbst viele Jahre ein erfolgreicher Amateurboxer, der bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 die Goldmedaille gewann und bei der Olympiade 1972 in München die Fahne der DDR-Mannschaft trug. Dies verdeutlicht die Anerkennung, die der Boxsport in der ehemaligen DDR erfuhr und unterstreicht zugleich die Leistung Manfred Wolkes. Doch nicht allein das aktive Boxen nahm ihn in Anspruch, denn er machte parallel dazu das Abitur und erwarb später das Hochschuldiplom als Trainer. Er war Offizier der NVA, ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Höhepunkte seiner Arbeit als Trainer im Amateurbereich waren neben Weltmeistern und Weltcupsiegern, die von ihm betreut wurden, die beiden Olympiasieger Rudi Fink (1980) und Henry Maske (1988). Aber auch nach dem Wechsel ins Profilager blieben die Erfolge nicht aus. Manfred Wolke hat mit Henry Maske das Aushängeschild des neuen deutschen Boxbooms in den frühen neunziger Jahren an die Weltspitze geführt. Darüber hinaus gehörten Axel Schulz sowie die Brüder Torsten und Rüdiger May zu seinen Schützlingen, mit denen er 1990 ins Profilager zu Wilfried Sauerland wechselte.

Der dreifache Europameister, Olympiasieger 1988 und Weltmeister 1989, Henry Maske, war zwar keineswegs ein Showtalent und wirkte im Ring wie auch im Gespräch eher karg und hölzern, doch setzte er sich sportlich durch und bot gerade in seiner steifen Fassade die Projektionsfläche für einen Starkult. Davon zehrte auch Manfred Wolke, der in dem Ruf stand, er habe das alles systematisch hervorgebracht. Während die Funktionäre des DDR-Boxverbands Maske und Wolke wegen des Abgangs ins Profilager noch scharf kritisierten und für durch und durch käuflich erklärten, schwamm sich das Erfolgsgespann längst im kapitalistischen Fahrwasser frei.

Manfred Wolke brachte eine Herangehensweise an das Boxen mit ins westliche Profigeschäft, die dort vordem Mangelware war. Neben seinen langjährigen Erfahrungen im Ring und als Trainer waren es insbesondere die wissenschaftlichen Trainingsmethoden, wie er sie nannte, die zu einer umfassenden Ausbildung und Förderung des Boxers führen sollten.

Neben diesen sportlichen Qualitäten zeichnete sich der Kreis um Trainer Wolke aber noch durch weitere Eigenschaften aus, die mit dem erwarteten Erscheinungsbild erfolgreicher Neuprofis so gar nicht übereinstimmten. Sie haben vieles vermieden, was ansonsten geradezu klassisch in der Entwicklung junger Profis zu sein schien, die mit dem sportlichen Erfolg plötzlich zu Geld kommen. Man hörte bei ihnen von keinen Eskapaden, sie traten nicht großspurig auf, sie änderten ihren gewohnten Lebensstil nicht und blieben im gewachsenen sozialen Umfeld. Die Berichterstattung lobte dies in der Regel als Bescheidenheit, als Bodenständigkeit, gewissermaßen als deutsche Tugend, zu der die DDR-Vergangenheit das ihre beigetragen habe. Nicht selten mischten sich aber auch Töne leisen Spotts wenn nicht gar offen vorgetragener weltmännischer Überlegenheit diesen Leuten aus dem Osten gegenüber in die Kommentare.

Darüber vergaßen die Journalisten ihre eigene Prognose, dieser Maske werde den Profis als Prügelknabe dienen und nach ein paar Monaten auf der Straße liegen. Ganz im Gegenteil faßten hier nicht nur die besseren Boxer im deutschen Profigeschäft Fuß, sie waren zugleich auch gefestigte Leute, die sich nicht vom Ruhm blenden und zwischen den Mühlsteinen widersprüchlicher Interessen zermahlen ließen. Man mag darüber spekulieren, was bei Ausbleiben des Erfolgs geschehen wäre, denn natürlich hatten Maske und Wolke als ehemalige Offiziere der NVA nach dem Zusammenbruch des gesamten Systems der Sportförderung nicht gerade die allerbeste Perspektive.

Doch sie riskierten am 8. März 1990 den Sprung ins kalte Wasser des Profigeschäfts und setzten sich durch. Manfred Wolke sagte einmal über den Erfolg seines Schützlings Maske, es sei alles nur Arbeit, harte Arbeit und Leidenschaft. Selbst ein Talent wie Henry Maske wäre eine Null, stände hinter dem Talent nicht der Arbeiter Maske, der im Schweiße seines Angesichts jeden Schlag, jede Bewegung tausendmal übt, ehe sie im harten Ringfight richtig sitzt.

In Unkenntnis des tatsächlichen Leistungsniveaus im ostdeutschen Amateurboxen wurden seinerzeit sportliche Prognosen erstellt, an die heute sicher keiner der westlichen Journalisten erinnert werden möchte. Noch größer schien aber die Unwissenheit in Hinblick auf jene anderen Qualitäten zu sein, die dauerhaft verhindert haben, daß Wolke und seine Leute zu raschen Opfern des Boxgeschäfts wurden. Manfred Wolke war nicht nur durch eine harte Schule gegangen, er konnte auch auf weitreichende Erfahrungen im Zusammenhang einer umfassenden Förderung der von ihm betreuten Boxer zurückgreifen. Funktion und Einfluß seiner früheren Stellung dürften sicherlich über die eines einfachen Boxtrainers hinausgegangen sein.

Als Henry Maske seinen Abschied genommen hatte, kühlte sich das Verhältnis zwischen dem Boxer im Ruhestand und seinem ehemaligen Trainer merklich ab. Die Brüder May traten auf der Stelle und verließen Wolke, da sie sich von ihm vernachlässigt fühlten. Nachdem nur noch Axel Schulz übriggeblieben war, um den Mythos des Meistertrainers am Leben zu halten, schienen sich die beiden in gegenseitiger Rückversicherung immer enger aneinander zu klammern und angesichts einer unwirtlich gewordenen Szenerie immer weiter von einer realistischen Einschätzung zu entfernen.

Zwar rückten neue Talente nach, doch fand Wolke nie wieder einen Boxer wie Henry Maske und so trat er zunehmend in den Hintergrund, während der Berliner Uli Wegner längst die neuen Weltmeister für Promoter Sauerland schmiedete. Als Maske im vergangenen Jahr seinen alten Trainer für das Comeback engagierte, standen die Medien noch einmal Schlange im neuen modernen Boxgym in Frankfurt/Oder. So etwas hatte Manfred Wolke schon lange nicht mehr erleben dürfen. Es hätte dieses letzten Beweises indessen nicht mehr bedurft um zu unterstreichen, daß es doch wohl eher Henry Maske war, der Manfred Wolke zum "Meister" im Profigeschäft gemacht hat, als umgekehrt.

14. Januar 2008