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PORTRAIT/058: Floyd Mayweather - Boxkünstler und Großkotz (SB)


Berühmte Boxerfamilie heillos zerstritten

Floyd Mayweather jr. aus Grand Rapids, Michigan, wird von vielen Experten in den USA als derzeit bester Boxer aller Gewichtsklassen gehandelt. Er war Weltmeister in fünf Limits und ist amtierender Champion des WBC im Weltergewicht. Vor wenigen Tagen verteidigte er diesen Titel in einem zum "Kampf des Jahres" hochstilisierten Duell mit dem Briten Ricky Hatton aus Manchester durch technischen K.o. in der zehnten Runde und erklärte nach diesem Sieg wieder einmal seinen Rücktritt.

Obgleich rund 20.000 britische Fans aus Nordengland nach Las Vegas gereist waren und angeblich 10.000 von ihnen Einlaß in die MGM Grand Garden Arena gefunden hatten, in der 17.000 Zuschauer dem hochdotierten Kampf beiwohnten, mußte sich der in Halbdistanz und Infight verbissen fightende Herausforderer der strategischen überlegenheit des Defensivkünstlers und Konterboxers geschlagen geben. Mit 30 Jahren ist Floyd Mayweather in 39 Profikämpfen unbesiegt und zählt zu den Großverdienern der Branche, was ihn dazu verlaßte, seinen Beinamen jüngst von "Pretty Boy" in "Money" zu ändern.

Floyd Mayweather stammt aus einer Boxerfamilie. Sein gleichnamiger Vater kämpfte im Weltergewicht und stand 1978 zehn Runden lang mit Sugar Ray Leonard im Ring. Danach verdiente er noch elf weitere Jahre als Profiboxer sein Geld. Sein Onkel Roger war WBA-Weltmeister im Superfedergewicht und WBC-Champion im Halbweltergewicht. Und auch sein Omkel Jeff, der jüngste der drei Brüder, kämpfte in seiner aktiven Zeit um einen Titel. Nirgendwo sonst hat man von drei Brüdern gehört, die als Trainer jeweils eigene Weltmeister hervorgebracht haben.

So war dem jüngeren Floyd Mayweather eine Karriere als Boxer gewissermaßen in die Wiege gelegt. Von Kindesbeinen an war er im Gym zu Hause, und sein Lieblingsfoto aus dieser Zeit zeigt ihn als Dreijährigen mit riesigen Handschuhen, während die Boxer im Kreis um ihn knien und er sie zu treffen versucht. Aufgezogen wurde er vor allem von seiner Großmutter Bernice, die mittlerweile 75 Jahre alt ist.

Die Familienverhältnisse waren gelinde gesagt kompliziert und daß sie heute regelrecht zerrüttet sind, rührt aus dieser Zeit her. Mayweathers Vater war ein Drogendealer, was damals. wie er heute geltend macht, einfach notwendig war, um für die beiden Kinder zu sorgen. Wenn sein Sohn nun behaupte, er sei in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen und habe mit sieben Personen in einem einzigen Raum gelebt, sei das blanker Unsinn. Da die Mutter des Jungen cracksüchtg war, nußte sich der Vater um alles kümmern, und so holte er ihn im Alter von neun Jahren vorübergehend zu sich nach New Jersey. Floyd Mayweather sr. wurde 1994 jedoch wegen Drogenhandels zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Floyd jr., der in Grand Rapids geboren und überwiegend dort aufgewachsen ist, verbrachte mit 16 Jahren einige Zeit bei seinem Onkel Roger in Las Vegas, doch zog es ihn bald wieder nach Hause zurück, wo er sich fast ausschließlich dem Boxen widmete und eine erfolgreiche Karriere als Amateur durchlief. Drei Jahre lang lebte er im Haus des Geschäftsmanns Don Hale, der sich im Boxsport engagierte und ihm bis zu den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta ein geeignetes Umfeld bot. Wie Hale berichtet, habe er Floyd praktisch davor bewahrt, ein Dealer wie sein Vater zu werden, den im Gefängnis zu besuchen sich der Sohn zunehmend weigerte. Wie auch die Brüder bestätigen, wollte der ältere Floyd Mayweather auch hinter Gittern alles und jedes bestimmen, was in der Familie vor sich ging.

In Atlanta mußte sich Floyd Mayweather nach einer umstrittenen Entscheidung mit der Bronzemedaille begnügen, worauf er ins Profilager wechselte. Dort durchlief er eine kometengleiche Karriere und brach nach und nach nicht nur mit seiner Familie, sondern auch vielen anderen Leuten, die ihm früher nahegestanden hatten, darunter auch Don Hale. In den ersten vierzehn Kämpfen betreute ihn sein Onkel Roger, der diese Aufgabe abgeben mußte, als sein Vater 1998 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dieser führte ihn noch im selben Jahr zu seiner ersten Weltmeisterschaft, dem WBC-Titel im Superfedergewicht. Wenig später entließ Floyd Mayweather seinen Onkel Jeff aus dem Trainerstab, und 2000 kam es zum Bruch mit seinem Vater, worauf sein Onkel Roger wieder das Training übernahm.

Ein Jahr zuvor hatte Mayweather jr. bei dem Rap-Mogul James Prince unterschrieben, mit dem er sich jedoch später überwarf. Im Streit schied er auch nach zehn Jahren von Top Rank, dessen Promoter Bob Arum er vorhielt, dieser habe ihn nur ausgebeutet.

Mayweather gilt als Boxer, der keinen Tropfen Alkohol anrührt und sich akribisch auf seine Kämpfe vorbereitet. Doch die Disziplin, die er im Ring demonstriert, scheint ihn im Privatleben weitgehend zu verlassen. 2002 bekannte er sich vor Gericht schuldig, die Mutter seines ältesten Sohnes wiederholt geschlagen zu haben. Zwei Jahre später verprügelte er zwei Frauen in einem Nachtklub von Las Vegas, worauf er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Wenig später folgte ein ähnlicher Vorfall in Grand Rapids, bei dem er mit etlichen Stunden Sozialarbeit davonkam. Und 2005 wurde er nur deshalb von dem Vorwurf freigesprochen, gewalttätig gegen die Mutter seiner drei anderen Kinder geworden zu sein, weil diese die Klage vor Gericht plötzlich zurückzog.

Offenbar haben die Erfolge im Boxring Floyd Mayweather jr. nicht zu einem sympathischeren Menschen gemacht. Wie sein Onkel Jeff beklagt, sei sein Neffe tatsächlich so arrogant geworden, wie er sich öffentlich gebe. Er kenne diesen Menschen nicht mehr. Verständnis bringt am ehesten noch Roger Mayweather auf, was jedoch damit zusammenhängen dürfte, daß ihn der Neffe favorisiert und er selbst mit seinen Brüdern zerstritten ist. Der junge Floyd protze maßlos mit seinem Geld und Luxus herum, aber er habe sich das alles eben auch in einem riskanten Job verdient, bei dem man nie wisse, ob man den Ring lebend verlassen werde.

Der alte Streit zwischen Floyd Mayweather und seinem Vater eskalierte, als die beiden einander in den Medien eine Schlammschlacht lieferten, die vor allem der Sohn forcierte. Wie dieser erklärte, habe ihn sein Vater in der Kindheit regelmäßig geschlagen, was übrigens selbst Roger nicht bestätigen kann, der allen Grund hätte, seinem Bruder eins auszuwischen. Floyd Mayweather sr. bestreitet diesen Vorwurf wie auch die Behauptung, er sei nur neidisch auf den Erfolg des Sohnes. Dieser habe vielen Leuten übel mitgespielt, er beschimpfe sogar seine Sparringspartner und beleidige sie in Gegenwart seiner Kinder. Er kenne seinen Sohn nicht mehr, und eines Tages werde dieser die Quittung für das bekommen, was er andern angetan habe.

Nur selten kommen die Familienbande doch noch einmal zur Geltung: Als sich Oscar de la Hoya auf seinen Kampf gegen Floyd Mayweather im Frühjahr vorbereitete, wollte er dessen Vater als Trainer anwerben. Dieser verlangte jedoch mit zwei Millionen Dollar absichtlich so viel, daß es nicht dazu kam. Seinen eigenen Sohn an dessen Gegner zu verraten, ging ihm denn doch zu weit.

Nun hat Floyd Mayweather wie schon nach dem äußerst knappen Punktsieg über Oscar de la Hoya seine Karriere für beendet erklärt - und wird auch dies aller Voraussicht nach revidieren, wenn der "Golden Boy" mit Millionen Dollars zur Revanche um Geld und Ehre winkt. Wird auch er den verhängnisvollen Fehler so vieler erfolgreicher Boxer wiederholen und weitermachen, bis es zum Absturz kommt? Eines steht indessen längst fest: Man wird Floyd Mayweather auch im Rückblick zu den besten Boxern seiner Zeit zählen, doch als Sympathieträger oder gar Idol verehren wird man ihn sicher nicht.

12. Dezember 2007