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SPLITTER/412: Blutfehde zwischen Mayweather und Pacquiao (SB)



Prestigeduell scheitert an Streit um Dopingtests

Das spektakuläre Prestigeduell zwischen Manny Pacquiao und Floyd Mayweather, das am 13. März 2010 in Las Vegas über die Bühne gehen sollte und beiden Boxern bis zu 40 Millionen Dollar eingebracht hätte, ist abgesagt worden. Das Lager des Amerikaners hatte von dem Philippiner für den Weltergewichtskampf die Zustimmung zu Bluttests nach Regeln der WADA gefordert, die wesentlich strenger als die sonst im Profiboxen angewandten Methoden sind. Trainer Floyd Mayweather senior hatte Pacquiao schon früher die Einnahme verbotener Substanzen zur Leistungssteigerung vorgeworfen. Da in diesem Prestigekampf die Frage endgültig entschieden werden sollte, wer gegenwärtig der beste Boxer aller Gewichtsklassen sei, war das Duell mit Ansprüchen und Erwartungen offenbar derart überfrachtet, daß die "Blutfehde" ausreichte, um es scheitern zu lassen.

Dabei hatte die Nevada State Athletic Commission noch vor wenigen Tagen bestätigt, daß Golden Boy Promotions die Austragung des Duells im MGM Grand beantragt hat. Andere Veranstaltungsstätten wie das Staples Center in Los Angeles und das Dallas Cowboys Stadium hatten ebenfalls Interesse bekundet, doch könnte das MGM Grand mit Eintrittspreisen zwischen 500 und 2.500 Dollar sowie Closed-circuit-Übertragungen in Las Vegas die weitaus höchsten Börsen generieren, die derzeit im Boxgeschäft zu erzielen sind.

"Soweit es mich betrifft, ist der Kampf gestorben", zog Pacquiaos Promoter Bob Arum einen demonstrativen Schlußstrich. Die Grand Rapids Press zitiert ihn mit den Worten, man sei Mayweather mit dem Angebot entgegengekommen, jederzeit eine Urinprobe vornehmen zu lassen und einen Bluttest vor der Pressekonferenz sowie nach dem Kampf durchzuführen. Mayweather habe jedoch auf einem Bluttest sogar beim offiziellen Wiegen bestanden, da ihm Pacquiaos Scheu vor einer Blutabnahme bekannt sei, der sich dadurch geschwächt fühlt. Offenbar gehe es der Gegenseite darum, Ausflüchte zu machen, weil sie Angst vor dem Kampf habe. Er halte Floyd Mayweather für einen Feigling, der sich nicht mit einem Gegner in den Ring traut, der ihn besiegen könnte, wie das bei Manny Pacquiao allemal der Fall wäre.

Der in 40 Kämpfen ungeschlagene Floyd Mayweather unterstellt dem Philippiner die Einnahme verbotener Substanzen und fordert eine strenge Dopingkontrolle mit jederzeit möglichen Blut- und Urinproben, wie sie im professionellen Boxsport bislang nicht Standard sind. Pacquiao, so lautet der Vorwurf, habe etwas zu verbergen, wenn er dieser Forderung nicht nachkommt. Mit dieser Initiative arbeitet der US-Amerikaner einer Bezichtigung in die Hände, welche die Unschuldsvermutung herkömmlichen Rechtsverständnisses aushöhlt und einen Pauschalverdacht etabliert, der die Beweislast umkehrt.

Manny Pacquiao, der im Laufe seiner Karriere 50 Kämpfe gewonnen und drei verloren hat, argumentiert mit einer bislang nie offiziell geltend gemachten Überzeugung, wonach ihn eine Blutabnahme unmittelbar vor einem Ringauftritt schwäche. So ungewöhnlich dieser Vorbehalt auch anmuten mag, kann man ihn doch nicht als gegenstandslos verwerfen, nur weil man selber diese Auffassung nicht teilt und für abwegig hält. Da der Vorstoß Mayweathers innovativen Charakter hat und Konsequenzen haben könnte, die weit über diesen speziellen Kampf hinausgehen, wirft das Lager des Philippiners der Gegenseite vor, sie wolle sich unter einem Vorwand vor dem Duell drücken.

Wie Mayweathers Berater Leonard Ellerbe erklärte, bestehe man auf einer Dopingkontrolle nach olympischem Standard, da nur auf diese Weise gewährleistet werden könne, daß der größte Kampf aller Zeiten zu fairen Bedingungen über die Bühne geht. Promoter Richard Schaefer erklärte hingegen, Pacquiao werde sich darauf keinesfalls einlassen, da sich der Philippiner dadurch benachteiligt fühle. Beide Boxer wurden bereits auf Grundlage von Urinproben unter Aufsicht der Nevada State Athletic Commission auf verbotene Substanzen getestet, ohne daß man Anhaltspunkte für deren Einnahme gefunden hätte.

Der Vorsitzende der US-Antidopingagentur, Travis Tygart, macht sich angesichts dieser Kontroverse natürlich für Bluttests stark, mit deren Hilfe man synthetisches EPO, Wachstumshormone und andere hochwirksame leistungssteigernde Substanzen nachweisen könne, die beim Test einer Urinprobe nicht auftauchten. Je größer das Zeitfenster zwischen Test und Wettkampf sei, desto leichter sei es, die Einnahme verbotener Substanzen zu verschleiern.

Pacquiaos Trainer Freddie Roach hält Mayweathers Forderung für einen Versuch, dem Kampf aus dem Weg zu gehen. Pacquiao sei schließlich zweimal in Folge als "Kämpfer des Jahres" ausgezeichnet worden und habe die Weltmeister Oscar de la Hoya, Ricky Hatton und Miguel Cotto besiegt. Ihm sei klar gewesen, daß Floyd eine Ausrede sucht, erklärte Roach. Pacquiaos Weigerung, sich unmittelbar vor dem Kampf Blut abnehmen zu lassen, habe nicht das geringste damit zu tun, daß er etwas verbergen wolle. Es handle sich vielmehr um eine reine Frage der Einstellung. Wenn ein Boxer fest davon überzeugt sei, daß ihn etwas Derartiges schwächt, dann werde es sich auch negativ auswirken. Der renommierte Trainer schlug als Kompromiß eine Blutabnahme nicht näher als drei Tage vor dem Kampf vor.

Promoter Bob Arum ist zu keinem weiteren Entgegenkommen bereit und hat angekündigt, er werde sich jetzt nach anderen Gegnern für Manny Pacquiao umsehen. Dieser habe fast ein dutzendmal in Las Vegas geboxt und seine letzten sechs Kämpfe dort bestritten, die mit Punktsiegen gegen Marco Antonio Barrera und Juan Manuel Marquez sowie vorzeitigen Erfolgen gegen David Diaz, Oscar de la Hoya, Ricky Hatton und Miguel Cotto endeten. Er habe jeden Dopingtest anstandslos bestanden, und wenn das gründliche Verfahren in Nevada seit 40 Jahren zur allseitigen Zufriedenheit funktioniert habe, sei nicht einzusehen, warum man es jetzt plötzlich ändern sollte, so Arum.

Nachdem Pacquiao dank seines Sieges über Cotto Weltmeister in der siebten Gewichtsklasse geworden ist, könnte er nun mit Juri Foreman in den Ring steigen, um dem New Yorker dessen neugewonnenen WBA-Titel im Superweltergewicht abzunehmen und damit als Champion in der achten Gewichtsklasse Boxgeschichte zu schreiben. Ebenfalls in New York beheimatet ist Paulie Malignaggi, der als Gegner des Philippiners in Frage käme. Möglich wäre ferner ein drittes Duell mit dem Mexikaner Juan Manuel Marquez, gegen den Pacquiao einmal umstritten unentschieden geboxt und ein weiteres Mal ebenfalls angefochten nach Punkten gewonnen hat.

Der abgesagte Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao könnte bald vor Gericht seine Fortsetzung finden. "Genug ist genug. Ich habe meinen Promoter angewiesen, mir bei der Einreichung einer Klage zu helfen", teilte der mehrmalige Weltmeister von den Philippinen mit.

Angesicht der in Aussicht stehenden immensen Einkünfte mutet es erstaunlich an, daß der überaus lukrative Kampf tatsächlich an der Dopingfrage scheitert. Bis zuletzt war man eher geneigt anzunehmen, daß dem Publikum mit einer ausgeklügelt inszenierten Kontroverse ordentlich eingeheizt wird. Sollten sich die jüngsten Meldungen bestätigen, wonach die Verhandlungen unwiderruflich beendet sind, wäre das nach dem aufwendigen Vorlauf, der hohe Erwartungen geweckt hat, ein weiterer Tiefschlag für den professionellen Boxsport, der sich nicht wundern müßte, warum ihm Vermarktungskonzepte wie Wrestling und insbesondere UFC den Rang abgelaufen haben.

26. Dezember 2009