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SPLITTER/404: Kein US-Präsident hat Jack Johnson rehabilitiert (SB)



Jack Johnson machte seine schwarzen Landsleute stolz

Jack Johnson wurde am 31. März 1878 in Galveston, Texas, geboren und starb am 10. Juni 1946 in Franklintown, North Carolina. Er stieg am 26. Dezember 1908 durch einen Sieg über den Kanadier Tommy Burns in Sydney zum ersten schwarzen Schwergewichtsweltmeister auf und zählt zu den besten Boxern, welche die Königsklasse je hervorgebracht hat. Da er im Ring wie im Privatleben Stärke, Stolz und Selbstvertrauen verkörperte, ruinierte das weiße Amerika seinen Ruf, trieb ihn ins Exil und sperrte ihn sogar ins Gefängnis.

Bislang hat kein US-Präsident Jack Johnson rehabilitiert. Vor drei Jahren verlangte dies Senator John McCain und vor drei Monaten forderte der Senat George W. Bush dazu auf, das Urteil von 1913 wegen dessen "Prägung durch Rassendenken" aufzuheben. "Jack Johnson war ein Opfer seiner Zeit", bedauerte auch das Repräsentantenhaus in einer Resolution den Staatsgefangenen Nr. 1546 und verurteilte die schamlose Jagd der Regierung auf den damaligen Meister aller Klassen als rassistisch motiviert, verursacht durch seinen Erfolg und seinen Lebensstil, den das weiße Amerika als Provokation empfand.

Der bettelarme John Arthur Johnson hielt sich in seiner Jugend mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und machte dabei im Gym des deutschstämmigen Hermann Bernau Bekanntschaft mit dem Boxsport. Er trat in Privatklubs gegen andere schwarze Boxer zu Preiskämpfen an, die das weiße Publikum zu seinem Amüsement veranstaltete. Johnson setzte sich in zahlreichen Kämpfen durch, da er ungewöhnlich beweglich agierte, gefährlich zu kontern verstand und dabei enorme Schlagwirkung entfaltete. Dabei war Boxen damals vielerorts verboten, und so stürmten 1901 Polizisten den Ring und warfen Johnson mehrere Wochen ins Gefängnis. Zwei Jahre später stieg er zum "Black Heavyweight Champion" auf, doch hielt man ihn von dem Titel der Weißen fern, da man seine Überlegenheit fürchtete.

Auf Dauer konnte und wollte sich das weiße Boxgeschäft jedoch dem Können dieses aufstrebenden schwarzen Boxers nicht verschließen, der so viel vorwegnahm, was Muhammad Ali Jahrzehnte später wieder aufgreifen und vervollkommnen sollte. So hinterlegte er einmal einen Umschlag, in dem er den Zeitpunkt des Niederschlags ankündigte, den er dann auch fast auf die Sekunde genau herbeiführte. Schließlich jagte er den flüchtenden Tommy Burns um die halbe Welt, bis er ihn endlich in Australien stellen und als Weltmeister aller Klassen entthronen konnte. Auch James J. Jeffries, der als ungeschlagener Champion zurückgetreten, doch aus dem sportlichen Ruhestand wieder in den Ring gezerrt worden war, um zu beweisen, "daß der weiße Mann stärker ist als ein Neger", endete gegen Johnson am Boden.

Jack Johnson verdiente ein Vermögen mit seinen Boxkünsten und hielt mit dem Luxus nicht hinter dem Berg, was das weiße Amerika mindestens ebenso in Wut versetzte wie seine Überlegenheit im Ring. Er trug Diamanten an allen Fingern, ließ sich die Zähne vergolden, fuhr teure Limousinen und heiratete zu allem Überfluß weiße Frauen. Dazu liebte er bizarre Auftritte in Verkleidungen, die sein Unterhaltungstalent unter Beweis stellten, jedoch in den zutiefst rassistischen USA vielfach als schiere Provokation empfunden wurden. Der Schriftsteller Jack London rief damals dazu auf, die "große weiße Hoffnung" zu suchen, um "das goldene Lächeln aus Johnsons Gesicht" zu schlagen.

Zwar war die Sklaverei in Amerika offiziell abgeschafft, doch blieben Schwarze Menschen zweiter Klasse, die in der Öffentlichkeit diskriminiert und in vielen Bundesstaaten von Prügelstrafe oder gar Lynchjustiz bedroht waren. Jack Johnson stellte das herrschende System mit seinem Lebensstil so sehr in Frage, daß nach seinen größten Siegen Rassenunruhen ausbrachen, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Wenngleich er nie ein explizites politisches Anlagen vortrug, reichte sein Drang, so zu leben, wie es ihm gefiel, doch allemal aus, um das Establishment zu schockieren und zu erschüttern.

Um Johnson einen Strick zu drehen, stellte man ihm eine Falle. Weil er einer weißen Freundin eine Bahnfahrkarte geschickt hatte, damit sie zu einem seiner Kämpfe reisen konnte, holte man ein Gesetz hervor, das "die Beförderung weißer Frauen über Staatsgrenzen zu unmoralischen Zwecken" unter Strafe stellte. Nachdem Johnson 1913 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, setzte er sich über Kanada nach Frankreich ab, wo er Schaukämpfe bestritt und einen aufwendigen Lebensstil pflegte. Als Krieg herrschte und ihm schließlich das Geld ausgegangen war, willigte er 1915 in eine Titelverteidigung in Havanna ein, wo er sich von Jess Willard besiegen ließ. Nach einer anderen Version wurde der 37jährige ein Opfer der Hitze und seiner Lebensumstände, doch ist man sich einig darüber, daß er bei einer begrenzten Rundenzahl, wie sie später eingeführt wurde, nie und nimmer verloren hätte.

Jack Johnson war nicht mehr Weltmeister im Schwergewicht, doch entzog er sich noch fünf Jahre den US-amerikanischen Behörden und bestritt Schaukämpfe in Europa und Lateinamerika. Erst 1920 stellte er sich und saß acht Monate ab. Später drehte er einen Film in Hollywood, gründete unter anderem einen Nachtklub in Harlem, aus dem einmal der "Cotton Club" werden sollte, und wollte sogar eine Boxschule in Deutschland eröffnen. Im Laufe der Zeit geriet er jedoch geschäftlich und privat immer weiter ins Abseits. Am Abend des 10. Juni 1946 wurde er in dem kleinen Ort Franklinton in North Carolina eines Lokales verweisen, dessen Wirt der Auffassung war, daß Schwarze draußen essen müßten. Aufgebracht stieg Johnson kurz danach in seinen Lincoln, übersah in der ersten Kurve einen Lastwagen und raste gegen einen Telefonmast. Einige Tage später wurde er auf einem Friedhof in Chicago zu Grabe getragen.

Nicht nur Weiße waren seinerzeit davon überzeugt, daß Johnson seinen schwarzen Landsleuten eher geschadet als geholfen habe. Aus der Unterwürfigkeit in die Pose des reichen schwarzen Dandys überzuwechseln, ging vielen zu weit, die einer langsamen Annäherung das Wort redeten. Als mit Joe Louis 1938 erstmals wieder ein Schwarzer um den Schwergewichtstitel boxen durfte, hatte ihm sein Manager alle nötigen Verhaltensregeln eingebläut: Immer freundlich sein, nie mit weißen Frauen fotografiert werden, nur reden, wenn man gefragt wird, und nie lachen, wenn man einen Weißen geschlagen hat. Joe Louis hat in Befolgung dieser Regeln viele Weiße reich gemacht. Er selbst starb so arm, wie er geboren wurde.

Wie Muhammad Ali ein halbes Jahrhundert später erklärte, sei Jack Johnson der einflußreichste Mensch in seiner Karriere gewesen. "Er kam in einer Zeit, als Schwarze glaubten, sie hätten nichts, auf das sie stolz sein könnten, und er machte sie stolz."

30. Dezember 2008