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SPLITTER/359: Philippinisches Boxidol zieht es in die Politik (SB)


Manny Pacquiaos Kandidatur für Parlamentssitz heftig umstritten

Auf den Philippinen wird Manny Pacquiao wie ein Volksheld verehrt. Wenn der 28 Jahre alte Boxer in den Ring steigt, sind die Straßen leergefegt und selbst die Verbrechensrate sinkt für einige Stunden, da jedermann seinen Auftritt gebannt vor dem Fernsehgerät verfolgt. Der knapp 60 kg schwere Linkshänder gilt nicht nur in seiner Gewichtsklasse als einer der Besten der Welt und wurde von der "Boxing Writers Association of America" wie auch dem renommierten "Ring Magazine" zum Boxer des Jahres 2006 gewählt.

Pacquiao stammt aus einfachen Verhältnissen in Kibawe, einem Dorf im Hinterland der Stadt General Santos, in der er heute lebt. Er mußte frühzeitig die Schule verlassen, um Geld für die Familie zu verdienen, und arbeitete unter anderem als Straßenhändler und auf dem Bau. Seine Begeisterung für den Boxsport wurde durch eine Übertragung des Kampfs zwischen Mike Tyson und James Buster Douglas geweckt, die er 1990 im Radio hörte.

Zunächst trainierte er mehrere Jahre zu Hause mit einem Onkel, bis er schließlich in Davao Aufnahme in einer Boxschule fand. Als Amateur bestritt er mehr als 60 Kämpfe, ehe er 1995 einen Profivertrag erhielt. Sein Durchbruch kam im Jahr 2001 bei seinem ersten Auftritt in den USA, wo er Lehlohonolo Ledwaba in der sechsten Runde besiegte und damit neuer Weltmeister der IBF im Superbantamgewicht wurde. Der größte Erfolg in jüngster Zeit war ein K.o.-Sieg gegen Erik Morales im November 2006, mit dem er bereits zum dritten Mal im Ring stand, wobei zwei dieser Kämpfe zu seinen Gunsten ausgingen.

Manny Pacquiao, dessen Bilanz bei 43 Siegen, drei Niederlagen und zwei Unentschieden steht, hält sich derzeit in den USA auf, um seinen internationalen Titel des WBC im Superfedergewicht in San Antonio gegen den in 32 Kämpfen ungeschlagenen Jorge Solis zu verteidigen.

Während aber die Auftritte im Ring seine Landsleute in einmütige Begeisterung versetzen, scheiden sich die Geister an einem gänzlich anderen Vorhaben, das Pacquiao dieser Tage in Angriff nimmt. Er kandidiert in seinem Heimatbezirk für einen Sitz im Parlament, was selbst unter seinen glühendsten Fans skeptische Fragen hervorrief, ob er dieser Aufgabe gewachsen sei. Wie er ungeachtet kritischer Einwände hervorhob, habe er klar umrissene Ziele: Er wolle den armen Leuten Bildungschancen und Arbeit geben, wie auch die Eröffnung von Geschäften und Ansiedlung von Unternehmen in seinem Bezirk fördern.

Während man ihm die besten Absichten ohne weiteres abnimmt, wurden doch erhebliche Zweifel laut, ob er über die Voraussetzungen verfügt, um seine politische Agenda als Abgeordneter umzusetzen. So verweist man darauf, daß er erst in diesem Jahr seinen Schulabschluß nachgeholt hat. In Meinungsumfragen zeichnete sich ab, daß seine Popularität als Boxer ungebrochen ist, doch die Kandidatur zwiespältig aufgenommen wird, da viele Wähler Bedenken hinsichtlich seiner Fähigkeit haben, ihre Interessen im Parlament zu vertreten. Die politische Lage auf den Philippinen ist so angespannt, daß sich viele Menschen fragen, ob Pacquiao wirklich weiß, worauf er sich einläßt.

Bei der Wahl am 14. Mai tritt er gegen die Abgeordnete Darlene Antonino-Custodio an, die gleich allen andern zu seinen Fans gehört und schon etliche Resolutionen verfaßt hat, in denen das Parlament ihn zu Siegen im Ring beglückwünscht. Das hindert sie jedoch nicht daran, ihm auf dem politischen Parkett entschieden entgegenzutreten. So brachte ihre Partei den Antrag ein, die Übertragung seines Kampfs im Fernsehen zu verbieten, da dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer vom Wahlrecht untersagten Vorteilsnahme gleichkäme. Das ging den Boxfans aber doch zu weit, worauf die Wahlkommission unter dem Druck der Öffentlichkeit die Ausstrahlung im Fernsehen mit der Auflage genehmigte, daß sich Pacquiao dabei politischer Äußerungen enthalten müsse. Dieser fand aber doch einen Schleichweg, Werbung in eigener Sache zu machen, denn sein Promoter Bob Arum kündigte an, er wolle die Philippinen besuchen und beim Wahlkampf mithelfen.

In einem Interview fuhr seine Konkurrentin Antonino-Custodio schweres Geschütz auf und äußerte den Verdacht, Pacquiao werde von der Administration Gloria Macapagal-Arroyos unter Druck gesetzt. Die Präsidentin der Philippinen sah sich wiederholt Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, worunter auch der Verdacht fällt, es sei bei ihrem Wahlsieg 2004 nicht mit rechten Dingen zugegangen. Pacquiao wolle Menschen helfen und habe ursprünglich eine Kandidatur um das Amt des Bürgermeisters angestrebt, sagte Antonino-Custodio. Woher rühre dann der plötzliche Sinneswandel in Gestalt der Kandidatur um ein Abgeordnetenmandat?

Manny Pacquiao räumt offen ein, daß er ein Freund der Präsidentin sei und die beiden Familien miteinander Umgang pflegen, zumal dies ohnehin kein Geheimnis ist. Der wichtigste Berater der Staatschefin, Gabriel Claudio, dementierte jedoch nachdrücklich, daß man Pacquiao zur Kandidatur gedrängt habe. Vielmehr habe dieser seine eigene Entscheidung getroffen, als ihm nach seinem letzten Sieg breite Unterstützung seitens der Basis zuteil geworden sei. Und schließlich sei es auf den Philippinen üblich, daß populäre Persönlichkeiten früher oder später in die Politik gingen.

Geld dürfte jedenfalls nicht den Ausschlag gegeben haben, da Pacquiaos jährliche Einkünfte aus Kampfbörsen und Sponsoring auf 20 Millionen Dollar geschätzt werden. Er besitzt eine Geflügelfarm, eine Promotionsgesellschaft für Boxer und das Basketballteam der MP Warriors, das in der höchsten Liga des Landes spielt.

Manny Pacquiaos Wunsch, armen Menschen in seiner Heimatprovinz zu helfen, könnte den Mangel an formaler Bildung vergessen machen. Um ein engagierter Abgeordneter zu sein, muß man nicht zwangsläufig perfekte Englischkenntnisse oder eine juristische Ausbildung haben. Wichtiger ist doch die Bereitschaft, einen signifikanten Ausschnitt der Bevölkerung zu vertreten.

Diese Argumente hörten sich gar nicht so schlecht an, kämen sie nicht ausgerechnet aus dem Munde Gabriel Claudios, der damit eine Position zu vertreten vorgibt, wie sie seiner Funktion im politischen Establishment am allerwenigsten entsprechen dürfte. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß die Kandidatur des außerordentlich populären Boxers auf der Liste der Regierungspartei von höchster Stelle protegiert wird. Ob der politisch unerfahrene Manny Pacquiao naiv zu Werke geht und aus dem Präsidentenpalast gesteuert wird, eher eine Hand die andere wäscht oder der Boxer am Ende doch mehr als seinen eigenen sozialen Aufstieg im Sinn hat, muß sich noch erweisen - falls ihm die Wähler nicht einen Strich durch die Rechnung machen.

24. April 2007