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SPLITTER/348: Sylvester Stallone will es noch einmal wissen (SB)


Mit 60 Jahren kehrt "Rocky Balboa" in den Ring zurück

Jede Generation habe ihren Auftritt, doch danach erwarte man, daß sie den Platz für eine jüngere räumt. Das erlebten seine Altersgenossen gerade, so der mittlerweile 60-jährige Schauspieler Sylvester Stallone. Sein neuer Film zeige jedoch, daß die alte Generation durchaus noch etwas zu sagen habe.

Als Stallone erstmals davon sprach, seine erfolgreiche Filmfigur "Rocky Balboa" nach sechzehn Jahren zu einem sechsten Durchgang wiederauferstehen zu lassen, hielt selbst sein engstes Umfeld das für eine ausgemachte Schnapsidee, die nur zu Peinlichkeit und Erniedrigung führen könne. Nicht anders dachten die Studiochefs darüber, die ihm mehr oder minder unverblümt zu verstehen gaben, daß er in seinem Alter nicht gerade ein Magnet für das junge Kinopublikum sei. Jeder habe ihm erklärt, daß dieser Zug für ihn abgefahren sei, doch er habe in den letzten fünfzehn Jahren manches bedauert, und dieses Gefühl wolle er nun aus der Welt schaffen, erklärte der Schauspieler.

Als sich die Revolution Studios zusammen mit MGM bereiterklärten, einen weiteren "Rocky"-Film zu produzieren, war Stallone durchaus klar, daß der alternde Held dieses Streifens, der sich ein letzten Mal in das Geschäft der Jugend einmischt, zwangsläufig als Metapher auf seine eigene ausklingende Karriere wahrgenommen würde. Der künstlerische Tod sei lang und schwer zu verkraften, sagte er jüngst in einem Interview.

Sylvester Stallone, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet, hat seit dem halbwegs erfolgreichen "Cop Land" von 1997 keine nennenswerten Treffer auf der Leinwand mehr gelandet. Seine Auftritte in der Reality-Boxshow "The Contender" und das unter seinem Namen vermarktete Spiel "Spy Kids 3-D: Game Over" waren bereits die Höhepunkte des Abgesangs auf einen Schauspieler, den die Branche zunehmend aufs Abstellgleis schob. Nun setzt er noch einmal auf seine alten Renner und will im Raum der nächsten zwei Jahre auch mit "Rambo IV" den zornigen Vietnamveteranen noch einmal ins Spiel bringen.

Der erste "Rocky"-Film sorgte 1976 und damit vor mittlerweile drei Jahrzehnten für Furore. Wenngleich man davon ausgehen kann, daß etliche Zuschauer, die damals davon begeistert waren, ihrerseits geneigt sind, die Vergangenheit wiederauferstehen zu lassen, hängt sich Stallone samt allen am Projekt Beteiligten doch sehr weit aus dem Fenster. Irwin Winkler, der damals wie heute zu den Produzenten zählt, weiß ein Lied davon zu singen, wie man den Film immer und immer wieder geprüft, schließlich für gut befunden, doch selbst danach noch mit großer Skepsis eingeschätzt habe.

Der Film handelt von einem 60-jährigen Mann, der nicht zum alten Eisen geworfen werden will und sich dagegen auflehnt, ignoriert zu werden. Sein Spannungsbogen ist der Kampf gegen Interessen und Institutionen, die dem Vorhaben gleichgültig oder ablehnend gegenüberstehen und ihm wie im Fall der Boxkommision sogar die erforderliche Zustimmung verweigern wollen. Der Einstieg bedient sich eines Kunstgriffs, der auf die Erlebniswelt des jungen Publikums reflektiert. So zieht es "Rocky" zurück in den Ring, nachdem eine Sportshow einen virtuellen Boxkampf zwischen "Rocky Balboa" und dem aktuellen Weltmeister aller Klassen, "Mason (the Line) Dixon" präsentiert.

Da es nachgerade absurd wäre, den gealterten "Rocky Balboa" um den Titel des jungen Champions kämpfen zu lassen, behalf sich Stallone mit diesem Showkampf. Vor allem aber versuchte er, dem eklatanten Altersunterschied mit einer gehörigen Portion Selbstironie Rechnung zu tragen, die letzten Endes den Ausschlag für eine positive Aufnahme bei Publikum und Kritikern geben könnte. Abgesehen davon geht es wie immer um den Kampf des Underdogs gegen das Establishment, der zu den klassischen Erfolgsrezepten des Kinos zählt.

18. Dezember 2006