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JUGEND/077: Zwischen Fußball und Facebook (DJI Impulse)


DJI Impulse
Das Bulletin des Deutschen Jugendinstituts 3/2012 - Nr. 99

Zwischen Fußball und Facebook

Jugendliche sind vielseitig interessiert. Über die Aktivitäten der Generation 2.0

von Mariana Grgic und Michael Holzmayer



Kultur, insbesondere Musik und Kunst, sowie Medien und Sport bieten wichtige Möglichkeiten der Identifikation für Jugendliche (Baacke 1998, Hoffmann/Schmidt 2008). Die Jugend ist eine Phase der Sozialisation, in der die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung, die Ablösung von Eltern und Geschwistern und die Hinwendung zu Peers einen besonderen Stellenwert haben (Hurrelmann 2006). In der Musik, Kunst und im Sport aktiv zu sein, eröffnet Jugendlichen Erfahrungsräume und ermöglicht ihnen, eigene Ausdrucksformen zu finden. Dabei bringen sich Jugendliche in unterschiedlichem Ausmaß ein - von eher rezeptiven Zugängen, zum Beispiel dem Hören von Musik, bis hin zu produktiven wie dem Spielen eines Instruments. Dadurch können Jugendliche ihre Geschmäcker und ihre Lebensphilosophie entwickeln, ihren Lebensstil präsentieren sowie sich sozial und kulturell positionieren. Die Studie »Medien, Kultur und Sport bei jungen Menschen« (MediKuS) hat dazu bundesweit knapp 5.000 9- bis 24-jährige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene befragt. Untersucht wurde, welchen kulturellen, medialen und sportiven Aktivitäten sie nachgehen, an welchen Orten diese stattfinden und welche Bedeutung sie für die Jugendlichen haben. Im Folgenden werden die Aktivitäten der 13- bis 17-Jährigen dargestellt.


Musik machen, malen, bloggen: Jugendliche sind
kulturinteressiert

Die Studienergebnisse machen deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der 13- bis 17-jährigen Jugendlichen regelmäßig musikalisch oder künstlerisch aktiv ist (siehe Abbildung). Sie spielen ein Instrument (36 Prozent), singen (19 Prozent), malen oder zeichnen (42 Prozent), tanzen (17 Prozent) oder spielen Theater (9 Prozent). Eine wichtige Bedeutung haben auch medienunterstützte kreative Aktivitäten: 24 Prozent der 13- bis 17-Jährigen erstellen nach eigenen Aussagen regelmäßig Bilder am Computer, 19 Prozent fotografieren, 16 Prozent drehen Videos, 14 Prozent schreiben regelmäßig Blogs im Internet und 6 Prozent machen elektronische Musik. Mädchen sind zwar musikalisch und künstlerisch insgesamt aktiver, doch machen männliche Jugendliche häufiger elektronische Musik, drehen häufiger Videos oder legen als DJ Musik auf (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012).

Etwa 15 Prozent der 13- bis 17-Jährigen fühlen sich einer Jugendszene zugehörig. Jugendszenen als Formen der Vergemeinschaftung grenzen sich häufig durch einen eigenen Stil, eigene Vorlieben oder Weltanschauungen von der Welt der Erwachsenen ab (Hitzler 2010). Am häufigsten werden die Hip-Hop-, Skater-, Computer- und Punkszenen genannt. Jugendliche mit Migrationshintergrund und Jugendliche mit niedrigem sozialen Status besuchen seltener Theater, Konzerte oder Museen. Sie sind aber im selben Ausmaß kulturell aktiv - mit der Ausnahme, dass sie seltener ein Instrument oder Theater spielen.

Non-formale kulturelle Angebote, die von Musikschulen, Vereinen oder anderen Organisationen angeboten werden, sind von großer Bedeutung für die kulturellen Aktivitäten Jugendlicher. Etwa 55 Prozent der 13- bis 17-jährigen kulturell aktiven Schülerinnen und Schüler nehmen daran teil, etwa 35 Prozent nutzen außerunterrichtliche Angebote von Schulen. Knapp ein Drittel der Jugendlichen lebt seine musikalischen oder künstlerischen Interessen ausschließlich selbstorganisiert aus - alleine, mit Freunden oder der Familie. Dies trifft auf männliche Jugendliche und jene mit niedrigem sozioökonomischen Status noch häufiger zu.


Fußball spielen, laufen, skaten: Die Mehrheit der Jugendlichen treibt Sport

Ein weiteres wichtiges Interessenfeld für Jugendliche ist der Sport. Er hat Bedeutung für Körper und Gesundheit, bietet aber auch spezifische Bildungspotenziale, insbesondere für die persönliche und soziale Entwicklung (Neuber 2010). 80 Prozent der 13- bis 17-jährigen Jugendlichen geben an, regelmäßig Sport zu treiben (siehe Abbildung). Nur 4 Prozent der 13- bis 17-Jährigen sind weder sportlich noch kulturell aktiv. Der Großteil übt ein bis zwei verschiedene Sportarten aus. Zu den 20 häufigsten Sportarten im Jugendalter zählen das Fußballspielen, Laufen und Fahrradfahren, aber auch Fitness, Reiten, Skaten und sogar die Trendsportart »Parcouring «, eine Art Hindernislauf. Insbesondere beim Tanzen und bei den Kampfsportarten sind die Anteile Aktiver in der Jugendphase geringer als im Kindesalter. Geschlechterunterschiede zeigen sich auch beim Sport: Jungen (85 Prozent) treiben deutlich häufiger Sport als Mädchen (75 Prozent). Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischen Status sind etwas seltener sportlich aktiv.

Die Angebote von Vereinen und kommerziellen Anbietern werden am häufigsten genutzt: 71 Prozent der 13- bis 17-Jährigen treibt Sport in organisierter Form, wie etwa in Sportvereinen oder im Fitnessstudio. Über ein Viertel ist ausschließlich selbstorganisiert sportlich aktiv.


Die Jugend ist online

Das Internet prägt die Phase der Jugend wie kaum ein Medium davor. Es ist inzwischen zu einem der wichtigsten Bestandteile der Sozialisation und Selbstfindung Jugendlicher geworden (Wegener 2008; Lange/Theunert 2008). Das Handy und das Internet sind heute für die Jugendlichen wichtiger als das Fernsehen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012). Webangebote wie YouTube und soziale Netzwerke, wie Twitter oder Facebook, machen das Internet für Jugendliche besonders attraktiv. Hier können sie ihr Leben mit anderen teilen und ohne Fachwissen und Programmierkenntnisse eigene Inhalte der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Fast alle 13- bis 17-Jährigen nutzen das Internet. 92 Prozent sind täglich beziehungsweise mehrmals in der Woche online, wobei Jungen häufiger im Internet surfen als Mädchen (siehe Abbildung). Nur 8 Prozent sind einmal in der Woche oder seltener online, was den hohen Stellenwert des Internets im Leben der Jugendlichen widerspiegelt.

Zu den wichtigsten Bereichen des Internets für Jugendliche zählen heute die Social Communitys. Facebook - das führende soziale Netzwerk im Internet - wurde im Jahr 2004 gegründet, und zählt im Jahr 2012 bereits 22,1 Millionen Mitglieder in Deutschland, wovon 17 Prozent im Alter von 13 bis 17 Jahren sind (Roth 2012). Die Ergebnisse der MediKuS-Studie zeigen, dass derzeit 88 Prozent der 13- bis 17-Jährigen soziale Netzwerke nutzen, Mädchen häufiger als Jungen. Die große Beliebtheit der Social Communitys liegt vor allem an deren verschiedenen Nutzungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Über das eigens angelegte Profil bleiben Jugendliche mit Freunden in Kontakt, knüpfen neue Kontakte, vertiefen Freundschaften und kommunizieren mit Freundinnen und Freunden. Sie können Fotos und Videos veröffentlichen, zu Veranstaltungen einladen und stets auf dem Laufenden bleiben, was Freundinnen und Freunde unternehmen. Diese Funktionen der Kommunikation, Vergemeinschaftung und der Selbstinszenierung sowie die Möglichkeit, die eigene Attraktivität und die Anerkennung durch die Anderen zu testen, machen das Internet für Jugendliche besonders attraktiv (Tillmann 2010). Der Großteil der Netzwerkmitglieder im Alter von 13 bis 17 Jahren nutzt diese Funktionen und stellt Bilder von sich ins Netzwerk (79 Prozent), informiert über Hobbys (72 Prozent), die Lieblingsmusik, -filme und -bücher (69 Prozent) oder den Beziehungsstand (47 Prozent). Gleichzeitig geben aber auch 73 Prozent der Jugendlichen ihren vollen Namen an, 33 Prozent ihren Wohnort und knapp 2 Prozent ihre Telefonnummer - eine Offenheit, die aus daten- und jugendschutzrechtlichen Gründen kritisch zu sehen ist.

Die MediKuS-Studie zeigt den hohen Aktivitätsgrad der Jugendlichen in Deutschland. 96 Prozent der 13- bis 17-Jährigen sind regelmäßig sportlich und/oder künstlerisch/musikalisch aktiv. Non-formale Orte, wie Vereine, Musikschulen und andere Organisationen, haben eine hohe Bedeutung dafür, dass sie ihre sportlichen und kulturellen Interessen ausüben können. Ein Viertel bis ein Drittel der jungen Menschen sind ausschließlich selbstorganisiert aktiv. Im kulturellen Bereich sind das besonders Jungen und Jugendliche mit niedrigem sozialen Status. Sie werden seltener durch organisierte Angebote erreicht, haben aber durchaus kulturelle Interessen. Daher sollten insbesondere die selbstorganisierten Aktivitäten im Informellen und deren Bildungspotenziale weiterhin in der Forschung sowie bei der Entwicklung von interessanten Angeboten für Jugendliche im Blick behalten werden.


DIE MediKuS-STUDIE

Für den Survey »Medien, Kultur und Sport bei jungen Menschen« (MediKuS) des Deutschen Jugendinstituts und des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung wurden in den Jahren 2011/12 rund 5.000 9- bis 24-Jährige telefonisch befragt, die bereits im Jahr 2009 an der AID:A-Erhebung teilgenommen hatten. Inhaltliche Schwerpunkte der MediKuS-Befragung waren die medialen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sowie das Umfeld, in denen sie aktiv sind. Weitere Themen sind die subjektive Bedeutung der Aktivitäten (Intensität, Motive, freiwilliges Engagement), die Bedeutung von Familie und Peers, die soziale Vernetzung in Jugendszenen sowie das Aufwachsen mit Internet und sozialen Netzwerken. Anfang 2013 wird eine Publikation über die Studienergebnisse erscheinen.
w.dji.de/medikus


DIE AUTORIN, DER AUTOR

Mariana Grgic ist wissenschaftliche Referentin in den Projekten »Nationale Bildungsberichterstattung« und »MediKuS«. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen non-formales Lernen, Übergang in die Schule und Methoden.
Michael Holzmayer ist wissenschaftlicher Referent im Projekt »MediKuS«. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Medien, Sport und Sozialisationsforschung.
Kontakt: grgic@dji.de, holzmayer@dji.de

LITERATUR
AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung in Deutschland. Bielefeld

BAACKE, DIETER (1998): Die Welt der Musik und die Jugend. In: Ebd. (Hrsg.): Handbuch Jugend und Musik. Opladen, S. 9-26

HITZLER, RONALD / NIEDERBACHER, ARNE (2010): Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung heute, 3. Auflage. Wiesbaden

HOFFMANN, DAGMAR / SCHMIDT, AXEL (2008): »Geile Zeit« und »Von hier an blind« - Bedeutung und Potenziale musikalischer Erprobungen im Jugendalter am Beispiel der Aneignung von Popularmusik. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation (ZSE), Heft 3, S. 283-300

HURRELMANN, KLAUS (2006): Einführung in die Sozialisationstheorie. Weinheim

LANGE, ANDREAS / THEUNERT, HELGA (2008): Popularkultur und Medien als Sozialisationsagenturen. Jugendliche zwischen souverän-eigensinniger und instrumentalisierender Subjektivierung. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation (ZSE), Heft 3, S. 231-242

MEDIENPÄDAGOGISCHER FORSCHUNGSVERBUND SÜDWEST (2012): JIM-Studie 2011. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart, c/o Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK)

NEUBER, NILS (2010): Informelles Lernen im Sport. Wiesbaden

ROTH, PHILIPP (2012): Facebook Nutzerzahlen 2012 in Deutschland und Weltweit. Im Internet verfügbar unter
http://allfacebook.de/news/facebook-nutzerzahlen-2012-in-deutschland-und-weltweit
(Zugriff: 13.07.2012)

TILLMANN, ANGELA (2010): Computer und Internet - Multimediasozialisation. In: Vollbrecht, Ralf / Wegener, Claudia (Hrsg.): Handbuch Mediensozialisation. Wiesbaden, S. 260-268

WEGENER, CLAUDIA (2008): Medien, Aneignung und Identität. »Stars« im Alltag jugendlicher Fans. Wiesbaden

DJI Impulse 3/2012 - Das komplette Heft finden Sie im Internet unter:
www.dji.de/impulse

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Quelle:
DJI Impulse - Das Bulletin des Deutschen Jugendinstituts 3/2012 - Nr. 99, S. 18-21
Herausgeber: Deutsches Jugendinstitut e.V.
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Telefon: 089/623 06-0, Fax: 089/623 06-265
E-Mail: info@dji.de
Internet: www.dji.de
 
DJI Impulse erscheint viermal im Jahr.
Die Hefte können kostenlos unter www.dji.de/impulsebestellung.htm
abonniert oder unter vontz@dji.de schriftlich angefordert werden.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2013