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GESELLSCHAFT/201: Kinderwünsche junger Männer (DJI)


DJI Bulletin 83/84 - 3/4/2008
Deutsches Jugendinstitut e.V.

Wege in die Vaterschaft II
Kinderwünsche junger Männer

Von Isabelle Krok


Die Bedeutung der Familie im Leben junger Menschen sowie von Kindern als Teil des Lebensglücks ist nach wie vor ungebrochen hoch (Gille 2006; Deutsche Shell 2006). Gleichzeitig werden vermehrt junge Männer mit dem kontinuierlichen Geburtenrückgang in Verbindung gebracht: Entscheiden sich Männer tatsächlich immer häufiger bewusst gegen Kinder? Rückt Familie auf die hinteren Ränge der eigenen Lebensplanung von (jungen) Männern?
Die Ergebnisse der DJI-Bertelsmann-Studie »Wege in die Vaterschaft« weisen deutlich in eine andere Richtung: Junge Männer wollen Kinder, und sie möchten früher Vater werden, als es derzeit der Fall ist.



Junge Männer möchten eigene Kinder

In jungen Jahren ist der Wunsch nach Kindern besonders hoch:

Neun von zehn der noch kinderlosen Befragten (92,7 %) sagen Ja zu Kindern.
Am häufigsten ist dies der Fall, wenn eine Partnerin vorhanden ist - sowohl in sehr jungen Jahren, in denen der Wunsch nach Kindern generell höher ist, sowie nach der Ablösung vom Elternhaus, wenn auch im Freundes- und Bekanntenkreis »Familie« zunehmend zum Thema wird.
Im Gegenzug scheint die Kinderfrage in der Phase der beruflichen Einmündung und des Selbstständigwerdens in den Hintergrund zu rücken. Unter den Befragten, die bereits in einer eigenen Wohnung leben und keine Partnerin haben, ist der Anteil derjenigen, die die Frage nach eigenen Kindern verneinen, am höchsten (10,5 %).

Die Zwei-Kind-Familie ist weiterhin hoch im Kurs, insbesondere unter den (noch) Kinderlosen:

63,1 % der Befragten streben diese traditionelle Familienkonstellation an.
Im Schnitt wünschen sich die Befragten 2,12 Kinder - deutlich mehr als die realisierte Kinderzahl in Deutschland.
Am höchsten ist der Kinderwunsch dort, wo die Nähe zu Familie im Alltag vorhanden ist, also entweder als Kind in der Herkunftsfamilie oder als Vater von eigenen Kindern.

Das optimale Alter für eine erste Vaterschaft liegt zwischen 25 und 28 Jahren

Am besten soll das erste Kind zwischen 25 und 28 Jahren kommen - darin ist sich etwa die Hälfte (47,6 %) der befragten jungen Männer einig.
(siehe Tabelle 1)

Faktisch jedoch ist in Deutschland mehr als ein Drittel der Männer im Alter von 35 bis 40 Jahren kinderlos, und etwa 25 % bleiben es dauerhaft (Schmitt/Winkelmann 2005). Das ist nicht verwunderlich, bedenkt man, dass Vaterschaft für junge Männer erst dann in Frage kommt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.


Tabelle 1: Das optimale Alter für die erste Vaterschaft

in Prozent
  ...18 und 21  
2,4     
22 und 24     
8,7     
25 und 28     
47,6     
29 und 32     
31,7     
33 und älter  
9,5     

Quelle: DJI-Bertelsmann-Studie »Wege in die Vaterschaft« 2008.
Eigene Berechnungen (N=1.730)



Eigene Kinder sind für junge Männer klar an Voraussetzungen geknüpft

Vatersein heißt eindeutig, Verantwortung zu übernehmen und für eine Familie zu sorgen. Bevor junge Männer es sich jedoch vorstellen können, Kinder zu bekommen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein (siehe Tabelle 2):

- eine verlässliche Partnerschaft,
- ein sicheres Einkommen,
- eine stabile berufliche Position.

Für 66 % wird der Wunsch nach einem Kind erst konkret, wenn sie sich in einer stabilen Partnerschaft befinden. Für nahezu zwei Drittel ist es sehr wichtig, erst eine Familie ernähren zu können (58,9 %) und einen sicheren Arbeitsplatz zu haben (56,5 %).


Tabelle 2: Persönliche Voraussetzungen für den Wunsch Kinder zu
bekommen

in Prozent
Gefestigte Partnerschaft
66,1   
Ausreichendes Einkommen, um
die Familie ernähren zu können
58,9   
Sicherer Arbeitsplatz
56,6   
Eine gewisse Stabilität im Leben
44,4   
Eine geeignete Wohnsituation
38,4   
Gut ausgebautes Betreuungssystem
26,8   
Familienfreundlicher Arbeitsplatz
24,4   
Vereinbarkeit mit meinem Lebensstil
21,7   
Einen gewissen Status zu haben
13,2   


Kinderwunsch und Bildung hängen zusammen

Die Bedeutung der beruflichen Sicherheit spiegelt sich in der differenzierten Betrachtung der Befragten nach ihrem Bildungsniveau: Kinderlose junge Männer mit (angestrebter) Hochschulreife scheinen eine gesicherte berufliche Situation und somit die Möglichkeit, eine Familie ernähren zu können, eher als (für die Zukunft) gegeben anzunehmen. Sie wünschen sich mehr Kinder als Befragte mit niedrigeren (angestrebten) Schulabschlüssen. Insbesondere bei den befragten Vätern, die nahezu alle erwerbstätig sind, schlägt der Zusammenhang von Bildung und Kinderwunsch stark durch:

Verfügen die jungen Männer über eine Hochschulreife, so geben sie im Schnitt einen höheren Kinderwunsch an als Väter mit niedrigeren Schulabschlüssen. Allerdings scheint es weniger eine hohe Karriereorientierung zu sein als der Wunsch der Väter nach finanzieller Sicherheit, die den Kinderwunsch bei ihnen verstärkt. Denn unabhängig vom Bildungsabschluss wünschen sich diejenigen Väter, denen ein beruflicher Aufstieg und ein hohes Einkommen besonders wichtig sind, im Schnitt weniger Kinder als Väter, für die Karriere eine hohe Relevanz hat. Diese Väter befinden sich bereits in einer gefestigten beruflichen Situation und streben im Vergleich mit den noch kinderlosen jungen Männer nicht mehr so häufig einen weiteren Aufstieg an. Sie machen allem Anschein nach die alltägliche Erfahrung, dass Kinder Zeit in Anspruch nehmen, die ihnen bei gleichzeitig hohem beruflichem Engagement in der Familie fehlen würde.


Wann würde ein Mann sich über ein Kind freuen ...

Die angeführten Bedingungen für eine Vaterschaft sind heute erst später gegeben, als dies bei vorangehenden Generationen der Fall war. Gründe für eine verzögert realisierte Vaterschaft sind

- längere Ausbildungszeiten,
- unsichere berufliche Einstiege,
- eine längere ökonomische Abhängigkeit vom Elternhaus,
- instabile Partnerschaften.

Aus Daten des Statistischen Bundesamtes lässt sich schätzen, dass Männer in Deutschland zwischen 29 und 33 Jahren zum ersten Mal Vater werden (Zerle/Krok 2008). Dies entspricht jedoch nicht dem von den Befragten angegebenen optimalen Alter (zwischen 25 und 28 Jahren). Für die wenigsten jungen Männer (9,5 %) ist eine erste Vaterschaft mit 33 Jahren oder später passend. Im Gegenzug wäre für mehr als die Hälfte der Befragten im Alter von 24 Jahren (51,4 %) eine Vaterschaft zum aktuellen Zeitpunkt erfreulich. Ob sich ein Mann über ein Kind freuen würde oder nicht, dafür ist nicht allein das Alter ausschlaggebend, sondern im besonderen Maße sind es die jeweiligen Bedingungen der Lebenssituation. Junge Männer kämen mit einer (ungeplanten) Schwangerschaft in der momentanen Situation besonders dann gut zurecht, wenn sie eine feste Partnerin haben und bereits berufstätig sind.


Auch die persönlichen Erfahrungen in der Herkunftsfamilie sind für den Kinderwunsch entscheidend

Biografische Erfahrungen und insbesondere das familiale Umfeld der Befragten sind nach den Ergebnissen der DJI-Bertelsmann-Studie für Kinderwunsch und Umsetzung ebenfalls bedeutsam:

Sind die jungen Männer bis zu ihrem 15. Lebensjahr mit beiden leiblichen Eltern aufgewachsen, so wünschen sie sich häufiger eine Familie mit drei und mehr Kindern.

Auch das Aufwachsen mit Geschwistern scheint den Wunsch nach einer eigenen größeren Familie zu fördern. Es zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl der Geschwister der Befragten und der gewünschten Kinderzahl: mehr Geschwister fördern den Wunsch nach einer größeren eigenen Familie. (siehe Tabelle 3)


Tabelle 3: Wünsche nach drei oder mehr Kindern
MIT BEIDEN ELTERN AUFGEWACHSEN                          
nicht mit beiden Eltern aufgewachsen
16,6%       
mit beiden Eltern aufgewachsen
25,1%       
MIT MEHREREN GESCHWISTERN AUFGEWACHSEN                 
0                                      
14,0%       
1                                      
16,7%       
2 oder mehr                            
36,6%       
REGELMÄßIGER KONTAKT ZU DEN ELTERN                      
seltener/nie
15,9%       
mehrmals pro Woche
29,9%       

Quelle: DJI-Bertelsmann-Studie »Wege in die Vaterschaft« 2008.
Eigene Berechnungen (N=1.803, alle Befragten)


Über eigene Geschwister hinaus scheint die Nähe zu Kindern im Alltag generell förderlich für den Wunsch nach Kindern zu sein:

Die meisten noch kinderlosen Männer (40,2 %) haben seltener als einmal im Monat Kontakt zu Kindern unter sechs Jahren.

Insbesondere nach dem Auszug aus dem Elternhaus sowie in der Phase der beruflichen Etablierung spielen Kinder im Alltag junger Männer eine nachrangige Rolle. Diese kommen erst dann wieder ins Blickfeld, wenn sie eine feste Partnerschaft eingehen und die Familiengründung auch im sozialen Umfeld zum Thema wird.

Unter den Nicht-Vätern sind es vor allem die jungen Befragten im Haushalt der Eltern sowie die jungen Männer, die eigenständig wohnen und eine Partnerin haben, bei denen kleine Kinder in ihrem Alltag eher häufig eine Rolle spielen. Sie sind es auch, die sich häufiger eine Mehrkindfamilie wünschen als Befragte, in deren Alltag Kinder nur selten oder nie vorkommen.


Fazit

Männer wünschen sich nach wie vor Kinder und sehen eine eigene Familie als einen wichtigen Teil ihrer Lebensplanung an. In Zeiten hoher Scheidungsquoten, unsicherer Berufseinstiege und hoher Arbeitslosigkeit machen sie sich jedoch auch verstärkt Gedanken darüber, wann eine Vaterschaft für sie in Frage kommt.

Die Antworten der befragten jungen Männer lassen nicht den Schluss zu, dass Männer in Deutschland später Kinder bekommen, weil sie sich erst »austoben« wollen. Bevor sie an Kinder und Familie denken, müssen zunächst vor allem die Lebensumstände stimmen, das heißt:

- eine stabile Partnerschaft,
- ein sicherer Arbeitsplatz,
- ein festes Einkommen.

Ein Großteil der befragten jungen Männer sieht nach wie vor deutlich die Verantwortung für das Familieneinkommen auf den eigenen Schultern lasten. Um Männern Kinder und Familie früher zu ermöglichen, braucht es schon mehr als nur einen Wandel der Bilder von Vaterschaft - denn Vaterschaft muss vor allem lebbar werden.


Kontakt:
krok@dji.de


Literatur:

Deutsche Shell (2006): Jugend 2006. 15. Shell-Jugendstudie. Eine pragmatische Generation unter Druck. Frankfurt am Main

Gille, Martina (2006): Werte, Geschlechtsrollenorientierungen und Lebensentwürfe. In: Gille, Martina / Sardei-Biermann, Sabine / Gaiser, Wolfgang / de Rijke, Johann (Hrsg.): Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. Lebensverhältnisse, Werte und gesellschaftliche Beteiligung 12- bis 29-Jähriger. Wiesbaden, S.131-211

Robert-Bosch-Stiftung (Hrsg.) (2006): Kinderwünsche in Deutschland. Konsequenzen für eine nachhaltige Familienpolitik. Stuttgart

Schmitt, Christian / Winkelmann, Ulrike (2005): Wer bleibt kinderlos? Sozialstrukturelle Daten zur Kinderlosigkeit von Frauen und Männern. Discussion Paper 473, Februar 2005. Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Statistisches Bundesamt (2007): Eheschließungen und Ehescheidungen. Wiesbaden. Onlinefassung verfügbar über: http://www.destatis.de

Zerle, Claudia / Krok, Isabelle (2008): Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Gütersloh


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Quelle:
DJI-Bulletin Heft 83/84, 3/4/2008, S. 13-15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009