Schattenblick → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → REPORT


INTERVIEW/027: Krieg um die Köpfe - Rückwärts voran ...    Dr. Peer Heinelt im Gespräch (SB)


Universitäre Bildung im imperialen Design

Interview am 7. März 2015 an der Freien Universität Berlin


Dr. Peer Heinelt ist Politikwissenschaftler und Redakteur des Online-Nachrichtenportals German Foreign Policy [1]. Dort wie in diversen Zeitschriften publiziert er zu medien-, militär- und geschichtspolitischen Themen.

Auf dem diesjährigen NGfP-Kongreß, der sich unter dem Titel "Krieg um die Köpfe - Der Diskurs der Verantwortungsübernahme" mit der Militarisierung der bundesrepublikanischen Gesellschaft auseinandersetzte, referierte Heinelt über den Studiengang Military Studies an der Universität Potsdam. In seinem faktenreichen Vortrag verwies er auf die enge personelle wie institutionelle Verzahnung von Einrichtungen der Bundeswehr und der zumindest vom Anspruch her zivilen Bildungszielen verpflichteten Hochschule.

So komme dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam eine zentrale Rolle bei der Etablierung des Masterstudiengangs Military Studies zu. 2012 ging das historische Institut im neugeschaffenen Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) auf, das als militärhistorischer und sozialwissenschaftlicher Dienstleister der Streitkräfte neben den Fakultäten für Philosophie sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaft der Universität Potsdam als Träger des Studienganges fungiert. Das Lehrpersonal des Studienganges speist sich zu einem Gutteil aus dem Personal der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) und aus dem Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr, einer Ende 2014 gebildeten Einrichtung, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr zuständig ist.

Heinelt ging in seinem Vortrag darauf ein, daß die angeblich "neuen Herausforderungen", vor die die "Weltgemeinschaft" laut Darstellung des Moduls Sicherheitspolitik und Konfliktforschung der Military Studies "durch Globalisierung, asymmetrische Konflikte und den internationalen Terrorismus" [2] gestellt werde, ein spezifisches Weltbild repräsentieren. Dieses unterstelle ein globales Regime, das im Sinne eines wie auch immer gearteten Gemeinwohls handele und damit bewußt von den sozialen und politischen Verhältnissen zugunsten einer ideologischen Konstruktion abstrahiere, so der Referent.

Ob ein wirtschaftspolitisch und geostrategisch weltweit expandierender Staat wie die Bundesrepublik, die als Mitglied der NATO und als EU-europäische Hegemonialmacht über erheblichen globalen Einfluß verfügt, jemals vor "Herausforderungen" gestellt wird, an deren Entstehung die eigene Interessenpolitik nicht mittelbar oder unmittelbar Anteil hat, ist allerdings zu bezweifeln.

Von besonderem Interesse für den "Krieg der Köpfe", der auf dem Kongreß der NGfP untersucht wurde, sind miltärsoziologischen Forschungen, in denen die Haltung der Bevölkerung zu Bundeswehr und Krieg anhand von Meinungsumfragen und anderen sozialwissenschaftlichen Instrumenten eruiert wird. Um Einfluß auf die immer noch überwiegend ablehnende Einstellung der Menschen gegenüber dem Führen neuer Kriege zu nehmen, richtet sich das Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr gezielt an Multiplikatoren in Bildung, Politik, Wirtschaft, Verbänden und Gewerkschaften. In diesem Sinne wird auch, unter anderem durch den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, versucht, die Absolventen des Studiengangs Military Studies für die Aufnahme einer Tätigkeit in der Politikberatung zu interessieren oder bei der Rekrutierung ziviler Multiplikatoren einzuspannen.

Ohnehin seien die Zeiten, als am Militärgeschichtlichen Forschungsamt von Historikern wie Manfred Messerschmitt, Gert Ueberschär oder Wolfram Wette noch wehrmachtkritische Forschung betrieben wurde, vorbei, so Heinelt. Hier habe sich ganz im Sinne des Images von der "Armee im Aufbruch" ein affirmatives Verhältnis der Militärhistoriker zur Vergangenheit jener Streitkräfte durchgesetzt, die die Aggressionskriege des NS-Staates durchführten und dabei zahlreiche Kriegsverbrechen begingen. Heute gelte es zudem, Abstand vom "Staatsbürger in Uniform" zu nehmen, der einst als Antidot zum soldatischen Kadavergehorsam propagiert wurde. Die Professionalisierung des sogenannten Soldatenberufs stehe analog zum betriebswirtschaftlichen Personalprofil transnational operierender Konzerne im Vordergrund, um das Kerngeschäft der Bundeswehr, mit Gewaltmitteln etwa die Versorgung der Bundesrepublik mit Rohstoffen zu sichern oder in Zeiten anwachsender sozialer Krisen Aufstandsbekämpfung zu betreiben, möglichst ungestört von kritischen Einwänden betreiben zu können.

Am Rande des NGfP-Kongresses beantwortete Peer Heinelt dem Schattenblick einige Fragen, die an seinen Vortrag anknüpften.


Universitätskomplex I Am Neuen Palais in Potsdam - Foto: © 2015 by Schattenblick

Preußens Glorie läßt grüßen - Sitz des Historischen Instituts
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Die operative Zentrale der deutschen Kriegsführung, das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, hat seinen Standort in unmittelbarer Nähe zu Potsdam. Gleichzeitig steht die Hauptstadt Brandenburgs wie kaum eine andere für den preußischen Militarismus. Versucht die Bundeswehr, symbolpolitisch an eine alte Militärtradition anzuknüpfen?

Peer Heinelt (PH): Ich hatte zum Ende meines Vortrags auf das Buch "Armee im Aufbruch" hingewiesen, das im Berliner Miles-Verlag erschienen ist und Beiträge von 16 angehenden oder schon tätigen Kampfgruppenkommandeuren der Bundeswehr enthält. Darin wird ganz offen an Rommels Afrikakorps und den Generalfeldmarschall der Wehrmacht, Erich von Manstein, angeknüpft. Ich denke, daß es für die Bundeswehr auf dem Weg zur global agierenden Interventionsarmee unabdingbar ist, die sogenannten zeitlosen soldatischen Tugenden - Treue, Pflichterfüllung, Leiden, ohne zu klagen und so weiter - wieder verstärkt in den Vordergrund zu rücken. Dazu bieten sich natürlich NS-Vorbilder oder solche aus dem Ersten Weltkrieg an, die in dem Buch ebenfalls breit verhandelt werden. Insbesondere die Vorstellung selbständig agierender Kommandos, sogenannter Sturmtrupps, wird dort regelrecht als Innovation abgefeiert. Im Grunde wird alles aufs professionelle Militärhandwerk reduziert, und wer immer in der deutschen Geschichte einen Beitrag dazu geleistet hat, gilt als Vorbild.

SB: Bedeutet dies, daß der Sinn der Militärforschung im wesentlichen darin besteht, Strategie und Taktik des Krieges hinsichtlich seines Zweckes zu entpolitisieren?

PH: Das kann man so sagen. So wird der politische Gehalt, daß deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg insbesondere in der Sowjetunion einen Vernichtungskrieg gegen Juden und Kommunisten führten, völlig in den Hintergrund gedrängt. Militärische Taktiken und Strategien so zu gestalten, daß sie mit der Vernichtung des Feindes enden, hat im Gegenteil sogar wieder einen extrem hohen Stellenwert.

SB: Der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat sich während des Irakkrieges durchaus positiv auf die Blitzkriegsstrategie der Wehrmacht bezogen. Man hat nicht unbedingt den Eindruck bekommen, daß noch große Berührungsängste zumindest auf Seiten des US-Militärs oder der US-Führung bestehen. Kannst du dir vorstellen, daß Wehrmachtsstrategien, die sich als erfolgreich erwiesen haben, im Bereich der sogenannten Militärwissenschaften irgendwann ganz normal referiert werden?

PH: Das kann ich mir außerordentlich gut vorstellen. Ich hatte bereits in meinem Vortrag erwähnt, daß in der Frage des Umgangs mit Aufstandsbewegungen relativ unverblümt an den sogenannten Antipartisanenkampf der Wehrmacht oder überhaupt an neokoloniale Kriege, als einer konventionellen Armee Guerillaverbände gegenüberstanden, angeknüpft wird. Auch der Versuch, den sogenannten erweiterten Sicherheitsbegriff zum einzigen militärpolitischen Bezugspunkt zu machen, zielt im Grunde darauf ab, daß der militärische Kampf gegen eine Guerilla- oder Partisanenarmee nur gelingen kann, wenn man die Bevölkerung des jeweiligen Kriegsgebiets in die Kriegsführung mit einbezieht, zum Beispiel, indem man sie bei Wohlverhalten mit Entwicklungsprojekten belohnt. Das sind alles Überlegungen, die sich aus den historischen Erfahrungen der Aufstandsbekämpfer speisen.

SB: Im Rahmen der humanitären Hilfe wird mitunter der Begriff der "menschlichen Sicherheit" benutzt. Koppelt auch dieser an den erweiterten Sicherheitsbegriff an, indem die Frage gestellt wird, inwieweit Grundbedürfnisse befriedigt werden müßten, um sich des Rückhalts einer Bevölkerung zu versichern?

PH: Auf jeden Fall zielt die Strategie "Winning Hearts and Minds" darauf ab, die Bevölkerung des jeweiligen Interventions- oder Kriegsgebiets als zentralen Faktor für den Erfolg der Kriegsführung zu betrachten.

SB: Bundeskanzlerin Merkel hat vor einigen Jahren erklärt, daß die alte Trennung von äußerer und innerer Sicherheit so nicht mehr haltbar sei. Ist es auch Bestandteil der sogenannten Military Studies, daß die Entuferung von früher einmal klar umgrenzten Tätigkeitsfeldern der Politik inzwischen in die strategischen Konzepte mit einbezogen wird?

PH: Ja, das ist auf jeden Fall so. Dazu braucht man sich bloß zu vergegenwärtigen, daß die Paradigmen der vernetzten Sicherheit bzw. des erweiterten Sicherheitsbegriffs als unhinterfragbar gelten. Die Rede von den Bedrohungen in der globalisierten Welt meint im Grunde, daß es keine Unterscheidung mehr zwischen der sogenannten inneren und der sogenannten äußeren Sicherheit gibt. In Anlehnung an die Psychotherapie heißt es dann, daß die gesamte Gesellschaft resilient gestaltet werden müsse, um sie widerstandsfähig gegen alle Arten von wie auch immer gearteten Störungen oder Bedrohungen zu machen. Dabei ist es völlig unerheblich, ob diese am Hindukusch oder sagen wir mal in Buxtehude auftreten. Mittlerweile wird alles zusammengedacht. Deswegen halte ich es für korrekt und angemessen, von Militarisierung zu sprechen.

SB: Auf einem Gelände des Rüstungskonzerns Airbus, vormals EADS, bei München wird eine Hochschule aufgebaut, in deren Studienplan Projekte angeboten werden, deren Sinn und Zweck es ist, Teile der militärischen Forschung in den akademischen Bereich auszulagern. Ist das ein Beispiel von vielen für die Konvergenz des Zivilen und des Militärischen?

PH: Der Ludwig-Bölkow-Campus liegt auf einem Gelände, auf dem sich während des Zweiten Weltkriegs die unter Ägide des Messerschmitt-Konzerns errichtete Luftfahrtforschungsanstalt München befand, die Triebwerke für Kampfflugzeuge entwickelte. Die notwendigen Bauarbeiten mußten mehrere hundert Häftlinge des KZ Dachau verrichten, die in einem Außenlager nahe der Luftfahrtforschungsanstalt untergebracht waren. Mißhandlungen durch die SS-Wachmannschaft waren an der Tagesordnung. Nicht mehr arbeitsfähige Gefangene wurden zurück nach Dachau geschickt; von ihnen hieß es, sie seien "ins Krematorium gegangen". Es spielt offensichtlich keine Rolle mehr, daß schon durch den Namensgeber Ludwig Bölkow, der der Wehrmacht das erste düsengetriebene Jagdflugzeug der Welt bescherte, relativ unverblümt an NS-Traditionen angeknüpft wird.

Gleichzeitig ist die Einflußnahme des Militärs auf den Wissenschaftsbetrieb in der Bundesrepublik omnipräsent. Ich wage einmal die These, daß man keine oder kaum eine Hochschule in der BRD finden wird, die nicht in irgendeiner Form mit der Bundeswehr beziehungsweise mit dem Verteidigungsministerium kooperiert respektive in das Programm des Bundesforschungsministeriums "Forschung für die zivile Sicherheit" eingebunden ist, um Repressions- und Überwachungstechnik zu entwickeln. Auch an dem zuletzt genannten Programm sind Bundeswehr und Rüstungskonzerne beteiligt, obwohl es sich doch angeblich um zivile Forschung handelt.

Beispiele für die Entgrenzung und letzten Endes Ununterscheidbarkeit zwischen ziviler und militärischer Sphäre ließen sich zuhauf nennen. Der ganze Komplex des sogenannten Dual-Use hat sich nicht zufällig so ergeben. Er ist Ergebnis der seit Jahrzehnten von Staat und Kapital ganz bewußt verfolgten Strategie, die Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung aufzulösen. Wo sich das Militär seine Kompetenz für die Entwicklung von Waffen und anderem Kriegsgerät herholt, ist nach dieser Lesart letztlich irrelevant.

SB: Inwiefern läßt sich die wissenschaftliche Forschung überhaupt von militärischen Zwecken trennen? Selbst bei geographischen Erkenntnissen im Bereich der Tiefsee geht es letztlich um die Ausbeutung von unterseeischen Mineralien. Die Ergebnisse dieser Forschung fließen in geostrategische Konzepte der Bundesregierung ein. Kann eine Zivilklauselbewegung, die mit dem Anspruch angetreten ist, Dual-Use-Anwendungen auszuschließen, tatsächlich dafür sorgen, daß militärische Nutzanwendungen vom Hochschulbetrieb ferngehalten werden?

PH: Es wäre schön und wünschenswert, Zivilklauseln wirklich flächendeckend zu verankern, aber man müßte dann von vornherein sehr rigoros vorgehen und eben auch solche Projekte ins Visier nehmen, die zwar als zivil ausgewiesen sind, aber in Wirklichkeit militärische Nutzanwendungen hervorbringen. Diesen Punkt muß man immer mitdenken. Es nutzt nichts, sich darauf zurückzuziehen, daß eigentlich nur Forschung für die zivile Sicherheit betrieben wird. Natürlich laufen in diesen Studiengängen keine Leute in Uniform herum, das ist auch gar nicht intendiert. Von daher muß man sich die Projekte sehr genau anschauen, und wann immer es zu einer Kooperation mit Militär und Rüstungsindustrie kommt, muß man sofort mit dem Finger darauf zeigen und erklären, daß das mit einer Zivilklausel nicht vereinbar ist.

Dazu gehört auch, daß man die Zivilklauseln korrekt formuliert und eben nicht von friedlichen Zwecken, denen Forschung und Lehre verpflichtet sein sollen, sondern ganz klar von zivilen Zwecken spricht, die militärische Anwendungen und Kooperationspartner der Rüstungsindustrie ausschließen. Denn als friedlich verstehen sich letzten Endes auch Bundeswehr und Rüstungskonzerne, die ja gerne mit dem Weltfrieden argumentieren. In diesem Sinne ist auch nie von Kriegsoperationen die Rede, sondern von friedenserhaltenden, friedensschaffenden und notfalls friedenserzwingenden Maßnahmen.

SB: Inwiefern sind die Friedensforschungsinstitute an den Hochschulen in militärische Planungen eingebunden?

PH: Sehr deutlich wird das bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, die tatsächlich Politikberatung für die Bundeswehr betreibt. Darüber hinaus läßt sich feststellen, daß Friedensforschungsinstitute oftmals in das Programm "Forschung für die zivile Sicherheit" des Bundesforschungsministeriums eingebunden sind. Die vorrangige Funktion der hier beschäftigten Wissenschaftler besteht darin, die Akzeptanz für bestimmte Repressions- und insbesondere Überwachungstechniken zu erhöhen und eventuelle Widerstände aus der Bevölkerung oder von bestimmten sozialen Gruppen mitzudenken und sich zu überlegen, was im Falle einer entschiedenen Ablehnung zu tun ist. Es geht darum, von vornherein die Möglichkeit auszuräumen, daß sich an der Zunahme der Überwachung im öffentlichen Raum soziale Konflikte entzünden.

SB: Das berührt auch das Problem der Akzeptanzbeschaffung für deutsche Kriegseinsätze in der Bevölkerung, die Umfragen zufolge mehrheitlich dagegen ist. Wäre es in diesem Sinne nicht folgerichtig, wenn sich die sogenannte Militärforschung auch mit Fragen des Akzeptanzmanagements auseinandersetzte?

PH: Das ehemalige Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr, das im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam aufgegangen ist, macht im Grunde nichts anderes. Hier werden seit vielen Jahren regelmäßig demoskopische Erhebungen über die Wahrnehmung der Bundeswehr in der Bevölkerung oder bei bestimmten Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Es geht um das Image der Bundeswehr und damit natürlich auch um die Haltung der Bürger zu Kriegsoperationen der Bundeswehr. Von besonderem Interesse sind dabei natürlich die Jugendlichen als begehrter Nachwuchs. Auch die Körber-Stiftung hat unlängst eine entsprechende Erhebung durchgeführt. Unter anderem wurden die Teilnehmer gefragt, unter welchen Voraussetzungen sie dem Einsatz der Bundeswehr im Ausland zustimmen würden. Es ging dabei um Themen wie die Sicherung von Ressourcen oder die Beseitigung mißliebiger Regimes.

Jedenfalls wird die allgemeine Ablehnung von Kriegsoperationen der Bundeswehr durch die Bevölkerung immer wieder beklagt. In diesem Zusammenhang ist dann gerne von der sogenannten postheroischen Gesellschaft die Rede. Dieser Postheroismus zeige sich unter anderem darin, so heißt es, daß den Soldaten nicht genug Wertschätzung entgegengebracht werde, weil die Menschen durch das Gift des Pazifismus infiziert seien und sich noch immer nicht von der NS-Vergangenheit lösen könnten, die dem Militärischen in der Gesellschaft irreparablen Schaden zugefügt habe.

Die Aufgabe der Forscher am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr besteht nicht darin, einen neutralen Bericht vorzulegen, wobei man sich natürlich fragen muß, wie neutral eine Fragestellung bei demoskopischen Erhebungen überhaupt sein kann. So lassen sich für die Befragten etwa die sprichwörtlichen goldenen Brücken bauen, um zu entsprechenden Aussagen zu kommen, die man dann gerne publiziert. Jedenfalls wird überlegt, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das sogenannte Meinungsklima zum Thema Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in die gewünschte Richtung zu verändern. Auch werden konkrete Vorschläge gemacht, wie man etwa auf die Medienberichterstattung einwirken könne. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, sich Multiplikatoren zu schaffen, also Menschen, die aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten und ihres sozialen Status in der Lage sind, andere zu beeinflussen. Deswegen schielt die Bundeswehr insbesondere auf Journalisten, aber auch auf Lehrende aller Kategorien, weil sie die Positionen der politisch-militärischen Führung in die Öffentlichkeit tragen und verbreiten können.

SB: Die sogenannte Friedensbewegung liegt ziemlich am Boden, und in Folge der Auseinandersetzung mit den Mahnwachen ist es auf Seiten der Kriegsgegner, die sich weder links noch rechts verorten wollen, zu einer weitgehenden Entpolitisierung gekommen. Was hältst du für erforderlich, um eine kritische Bewegung gegen die breit angelegte Überzeugungsarbeit der Militaristen in Staat und Gesellschaft zu mobilisieren?

PH: Sich an den unseligen Mahnwachen und Montagsdemos zu beteiligen, ist sicherlich genau das Gegenteil von dem, was man tun sollte. Mit Gruppen, die der Ansicht sind, daß rechts und links als politische Kategorien keine Rolle mehr spielen, kann man nicht kooperieren - ebenso wenig wie mit den hier zuhauf vertretenen Antisemiten und antiamerikanischen Verschwörungstheoretikern. Eine ernstzunehmende Friedensbewegung muß von einem emanzipatorischen Menschenbild ausgehen und dazu gehört, daß man mit einer grundsätzlich antifaschistischen und antimilitaristischen Orientierung an gesellschaftliche Fragen herangeht. Wer das nicht tut, kann kein Kooperationspartner sein. Es wäre wichtig, einen konsequenten Antimilitarismus wieder zum integralen Bestandteil linker Politik zu machen. Wenn das nicht gelingt, werden die emanzipatorischen Kräfte dieser Gesellschaft schlicht überrollt. Denn die Versuche militärischen Krisenmanagements werden mit Sicherheit nicht ab-, sondern weiter zunehmen.

SB: Peer, vielen Dank für das Gespräch.


Triumphtor zwischen den Communs am Neuen Palais - Foto: © 2015 by Schattenblick

Triumphale Aussichten - es soll wieder gesiegt werden
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://www.german-foreign-policy.com/

[2] http://www.militarystudies.de/index.php?ID_seite=10


Bisherige Beiträge zur NGfP-Konferenz in Berlin im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → REPORT:

BERICHT/029: Krieg um die Köpfe - auf die Füße stellen ... (SB)
INTERVIEW/024: Krieg um die Köpfe - teile und kriege ...    Dr. Moshe Zuckermann im Gespräch (SB)
INTERVIEW/025: Krieg um die Köpfe - Angriff ausgeschlossen ...    Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder im Gespräch (SB)

12. April 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang