Universitätsklinikum Freiburg - 01.03.2016
Kreativität kommt nicht im Schlaf
Schlaf fördert das Gedächtnis, aber nicht die Kreativität beim Lösen von Problemen / Studie gibt Hinweis auf grundlegende Funktion des Schlafs / Publikation im Fachjournal Sleep
Wer schläft, stärkt dabei zwar das Gedächtnis, nicht aber das kreative Denken. Das zeigen Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikums Freiburg in einer Studie, die am 1. März 2016 im Fachjournal Sleep veröffentlicht wurde. Sie untersuchten bei Probanden, ob im Schlaf Erinnerungen nur gefestigt oder auch mit anderen Gedächtnisinhalten neu vernetzt werden. Letzteres gilt als Voraussetzung für kreatives Denken. Im Experiment zeigten Probanden mit Nachtschlaf zwar das beste Erinnerungsvermögen. Erstaunlicherweise war aber die Gruppe mit Schlafentzug sogar etwas kreativer als die 'Schläfer'. Die Studie widerlegt damit die Annahme, dass kreative Prozesse im Schlaf besonders intensiv ablaufen. Das spricht dafür, dass Gedächtnisfestigung und Neuorganisation von Erinnerungen unabhängige Prozesse sind, bei denen die Gedächtnisstärkung im Schlaf Vorrang hat.
Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Christoph Nissen, Geschäftsführender
Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des
Universitätsklinikums Freiburg, untersuchten bei insgesamt 60 Probanden,
wie kreativ sie beim Lösen von Aufgaben waren. Dies geschah mit einem
etablierten Assoziationstest, da assoziatives Denken eine wesentliche
Grundlage für kreative Prozesse ist. In 60 Durchgängen sollten sie zu drei
vorgegebenen Begriffen (etwa "Flocke - Eule - Besen") ein Lösungswort
finden, das jedes der drei Wörter sinnvoll ergänzt ("Schnee"). Direkt nach
der Antwort erfuhren die Testpersonen, ob diese korrekt war oder nicht.
Das erlaubte den Probanden, die Antworten in der Folge zu speichern und zu
verarbeiten. Eine Gruppe führte den Test abends durch und schlief danach
im Schlaflabor. Die zweite Gruppe führte den Test ebenfalls abends durch,
durfte aber bis zum nächsten Morgen nicht schlafen. Eine dritte Gruppe
machte den Test morgens und verbrachte dann einen normalen Tag. Nach acht
Stunden wiederholten alle Probanden den Test. Anteil und Geschwindigkeit
der wiederholt richtigen Antworten galten als Maß für die
Gedächtnisleistung. Die Zahl und Geschwindigkeit der im zweiten Durchgang
erstmals richtigen Antworten wurden als Maß für assoziatives und kreatives
Denken gewertet.
Wie vermutet erinnerten sich die 'Schläfer' im zweiten Durchgang am besten und am schnellsten an die acht Stunden zuvor gegebenen richtigen Antworten. Sie waren aber nicht besser darin, für bislang ungelöste Begriffe korrekte Antworten zu finden. "Unsere Studie zeigt klar: die kreative Verarbeitung von Informationen ist im Schlaf nicht stärker als im Wachzustand", sagt Prof. Nissen. Tatsächlich fanden die Nachtaktiven sogar etwas schneller neue, richtige Antworten als die anderen beiden Gruppen. "Unabhängig davon hilft es natürlich, ausgeschlafen zu sein, um wieder neu leistungsfähig zu sein", stellt Prof. Nissen klar.
Die nun veröffentlichten Erkenntnisse widersprechen einer Reihe bisheriger Studien, die eine kreative Neuorganisation von Informationen im Schlaf gefunden hatten. Während bislang meist recht einfache Denkvorgänge untersucht wurden, gilt aber assoziatives Denken als höchste Form des kreativen Denkens. "Vermutlich hat Schlaf umso weniger Einfluss auf die kreative Verarbeitung von Informationen, je komplexer die Aufgabe ist", sagt Prof. Nissen.
Die Studie gibt damit auch wichtige Hinweise auf die grundsätzliche Funktion von Schlaf. "Aus evolutionärer Sicht dürfte entscheidend sein, dass Erinnerungen im Schlaf gefestigt werden und weniger, dass unterschiedliche Inhalte neu vernetzt werden", sagt Prof. Nissen. Weitere Studien sollen nun die klinische Bedeutung der Ergebnisse, etwa für die Psychotherapie, erforschen.
Originaltitel der Arbeit:
Sleep Strengthens but does Not Reorganize Memory Traces in a Verbal
Creativity Task
DOI: 10.5665/sleep.5556
Weitere Informationen unter:
http://www.journalsleep.org/ViewAbstract.aspx?pid=30497
Link zur Studie
http://www.uniklinik-freiburg.de/psych/forschung-research/research-groups/rg-nissen.html
Forschungsgruppe Prof. Nissen
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1401
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Freiburg, Benjamin Waschow, 01.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2016
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