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MELDUNG/036: Psychologie-Studie - Glaube an Schicksal hilft bei Trauer (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 08.10.2010

Psychologie-Studie: Glaube an Schicksal hilft bei Trauer


Psychologen der Universität Münster fanden gemeinsam mit einem Mainzer Kollegen heraus: Manchmal ist es von Vorteil, an das Schicksal oder Zufälle im Leben zu glauben. Die Wissenschaftler Jule Specht und Prof. Dr. Stefan Schmukle aus Münster haben in der jüngst veröffentlichten Studie die Erfahrungen von Menschen analysiert, die ihren Partner verloren haben. Sie stellten fest: Menschen, die glauben, ihr Leben werde vom Zufall oder vom Schicksal bestimmt, können den Tod ihres Partners besser verkraften als jene, die unkontrollierbare Einflüsse auf das Leben unterschätzen.

"Der Tod eines nahestehenden Menschen ist eines der einschneidendsten Ereignisse im Leben der Betroffenen und bedeutet eine enorme Belastung", sagt die 24-jährige Diplompsychologin Jule Specht. "Die Menschen unterscheiden sich jedoch deutlich in ihrer Reaktion auf den Tod ihres Partners. Eine Ursache dafür liegt in der grundsätzlichen Lebenseinstellung, also was sie ganz allgemein als Ursache für Ereignisse in ihrem Leben ansehen: das eigene Verhalten oder unbeeinflussbare Faktoren wie Zufall oder Schicksal."

Für die Studie haben die münsterschen Wissenschaftler des Instituts für Psychologie Informationen von 414 Personen genutzt, die ihren Partner verloren haben. Diese wurden über einen Zeitraum von neun Jahren begleitet und untersucht. Es zeigte sich, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit der Verwitweten durch den Einschnitt stark abfiel und selbst vier Jahre nach dem Tod noch deutlich geringer war als vor dem Tod des Partners. Die Lebenszufriedenheit derjenigen, die glaubten, dass nicht sie selbst, sondern der Zufall oder das Schicksal ihr Leben beeinflusst, sank allerdings deutlich weniger stark. Sie wurden also in bedeutend geringerem Umfang durch das Ereignis beeinträchtigt.

Dies ist aus Sicht der Psychologen umso interessanter, als frühere Studien gezeigt haben, dass es häufig von Nachteil ist, an das Schicksal zu glauben. Menschen mit diesem Glauben sind beispielsweise generell unzufriedener mit ihrem Leben, weniger erfolgreich im Beruf und häufiger krank. "Unser Ergebnis zeigt nun, dass der Glaube an das Schicksal nicht nur Nachteile mit sich bringt, sondern in bestimmten Situationen auch vorteilhaft sein kann", sagt Specht.

Menschen, die an Schicksal oder Zufall glauben, kommen möglicherweise besser zurecht, weil sie akzeptieren, dass es im Leben unbeeinflussbare Faktoren gibt: "Ihre Lebenseinstellung wirkt also wie eine Art Schutzfaktor. Menschen jedoch, die diese Einflussmöglichkeiten unterschätzen, müssen nicht nur den Tod des Partners bewältigen, sondern sie stellen darüber hinaus wahrscheinlich auch ihre Weltanschauung in Frage", meint die Wissenschaftlerin.

Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift "Social Psychological and Personality Science" veröffentlicht. Neben Jule Specht und Prof. Dr. Stefan Schmukle von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster war auch Prof. Dr. Boris Egloff von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz an der Studie beteiligt. Die Analysen basieren auf Daten der Langzeiterhebung "Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)" zum Leben in Deutschland, die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bereitgestellt wurden.


Literaturhinweis:
Jule Specht, Boris Egloff und Stefan C. Schmukle (2010): The Benefits of Believing in Chance or Fate: External Locus of Control as a Protective Factor for Coping With the Death of a Spouse. Social Psychological and Personality Science; Published online before print September 22, 2010 / DOI: 10.1177/1948550610384635

Weitere Informationen unter:

http://spp.sagepub.com/content/early/2010/09/22/1948550610384635
Online-Publikation

http://www.diw.de/soep
Sozio-oekonomisches Panel

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution72


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster,
Dr. Christina Heimken, 08.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010