Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PSYCHOLOGIE

FORSCHUNG/126: Mit Musik dem Sitz von Emotionen auf der Spur (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 4-6/2009

Gefühlte Harmonie
Mit Musik dem Sitz von Emotionen auf der Spur

Von Bettina Micka


Was im Gehirn vor sich geht, wenn wir fühlen, war Thema der kürzlich abgeschlossenen Dissertation von Dr. Thomas Fritz. Betreut wurde seine Promotion von Prof. Angela D. Friederici vom Institut für Psychologie der Universität Potsdam und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Um positive und negative Emotionen bei seinen Probanden zu erzeugen, nutzte Thomas Fritz wohlklingende beziehungsweise dissonanter Musik. Auf diese Weise gelangte er nicht nur zu neuen Erkenntnissen über die neuronalen Grundlagen von Gefühlen und über interkulturelle Unterschiede bei der emotionalen Bewertung von Musik. Basierend auf seinen Erkenntnissen lassen sich zudem neue neurologische Diagnosemethoden für Krankheiten wie Schizophrenie und Parkinson entwickeln, die mit einer Fehlregulation des Botenstoffs Dopamin zusammenhängen.


So selbstverständlich, wie uns Gefühle durch das Leben begleiten, so wenig wissen Forscher bislang darüber, was dabei im Gehirn vor sich geht. Um Emotionen systematisch zu beschreiben, haben Psychologen verschiedene Skalen entwickelt. Die Skala von "unangenehm" bis "angenehm" nennen Psychologen die Valenzdimension. Wo diese grundlegende Bewertungsskala ihren Sitz in unserem Gehirn hat, wollte Thomas Fritz in seiner Doktorarbeit herausfinden.

Wenn Wissenschaftler der Entstehung von Gefühlen auf die Spur kommen wollen, müssen sie diese zunächst in den Probanden "erzeugen". "Hier standen Forscher bisher vor einem Problem", weiß Thomas Fritz. "Während sich unangenehme Gefühle im Experiment beispielsweise durch Schmerzreize leicht hervorrufen lassen, gelingt das mit positiven Gefühlen unter Versuchsbedingungen meist nicht so gut." Fritz fand nun eine einfache Lösung für das Problem: Eine Theorie besagt nämlich, dass Musik eine im Laufe der Evolution entstandene Methode ist, um Emotionen auszudrücken und auch in anderen hervorzurufen. Mit Hilfe von angenehmer beziehungsweise dissonante Musik gelang es dem Psychologen, sowohl positive als auch negative Gefühle unter Versuchsbedingungen zuverlässig hervorzurufen. Nun konnte er mit den eigentlichen Experimenten beginnen.

Um dem Gehirn beim Fühlen quasi zuschauen zu können, bat er seine Probanden in einen Magnetresonanztomographen. Mit diesem medizinischen Gerät lässt sich beobachten, welche Hirnregionen eines Patienten gerade aktiv sind. Besonderes Augenmerk richtete Thomas Fritz dabei auf den so genannten Mandelkern, eine Hirnregion, von der Forscher vermuten, dass sie eine wichtige Rolle für die Valenzdimension von Gefühlen spielt. Tatsächlich konnte Fritz erstmal nachweisen, dass es nicht wie vermutet einen einzigen Bereich gibt, der für die ganze Bandbreite von angenehmen bis unangenehmen Gefühlen zuständig ist, sondern dass es zwei getrennte Bereiche im Mandelkern gibt: einen für "angenehm" bis "neutral" und einen für "neutral" bis "unangenehm". Diese beiden Areale stehen zudem mit unterschiedlichen Netzwerken im Gehirn in Verbindung. Die unserem Erleben nach kontinuierliche Skala ist also neurologisch in zwei Teile separiert. Das ist nicht nur von theoretischem Interesse. Die Erkenntnisse ermöglichen es auch, eine neue Diagnostik für psychische und neurologische Erkrankungen zu entwickeln, die mit einem der beiden Bewertungssysteme assoziiert sind. "So basieren Parkinson, Schizophrenie oder Suchterkrankungen auf einer Fehlfunktion des so genannten dopaminergen Systems, das ausschließlich mit der angenehmen Bewertungsskala verbunden ist", erläutert der Forscher.

Ein Kontrastprogramm zu den Laboruntersuchungen war der zweite Teil der Forschungsarbeit von Thomas Fritz. Dafür reiste er nach Kamerun, zum Volk der Mafa. Diese Menschen hatten noch niemals zuvor westliche Musik gehört. Genau das war wichtig, denn Fritz wollte herausfinden, ob der kulturelle Hintergrund eines Menschen das Musikempfinden beeinflusst oder ob Menschen aller Kulturkreise Vorlieben und Abneigungen miteinander teilen. Während die Mafa westliche Musik zu hören bekamen, konfrontierte er später die deutschen Probanden mit Musik der Mafa. Dabei verwendete er jeweils vier Variationen desselben Musikstücks. Anschließend sollten die Probanden die Musik bewerten. In beiden ethnischen Gruppen bevorzugten die Hörer die ursprüngliche Form der Musikstücke, negativer wurde die rückwärts gespielte Version bewertet. Am unangenehmsten empfanden alle die rückwärts gespielte Form, die zudem dissonante Töne enthielt. Fritz konnte so erstmals nachweisen, dass die Bevorzugung vorwärts gespielter und harmonischer Musik universell ist.

Allerdings fand er auch einen Faktor, der sich modifizierend auf die Bewertung auswirkte. In einem weiteren Experiment untersuchte er nämlich, wie gut die Hörer den emotionalen Ausdruck in westlicher Musik wie beispielsweise "fröhlich" oder "traurig" erkennen konnten und ob dies ihre Gefühle beim Hören der Musik beeinflusste. Ergebnis: Je besser seine Mafa-Probanden den emotionalen Ausdruck in einem Musikstück erkennen konnten, desto angenehmer empfanden sie die westliche Musik und desto unangenehmer gleichzeitig deren rückwärts gespielte Version. "Dieser Effekt beruht möglicherweise darauf, dass durch das Rückwärtsspielen die musikalische Bedeutung, also zum Beispiel der emotionale Ausdruck der Musik, zerstört wird", vermutet Fritz.


*


Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 4-6/2009, Seite 34-35
Herausgeber:
Referat für Presse-, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit (PÖK)
im Auftrag des Rektors der Universität Potsdam
Redaktion: Am Neuen Palais 10, 14469 Potsdam
Tel.: 0331/977-1675, -1474, -1496
Fax: 0331/977-1130
E-Mail: presse@uni-potsdam.de
Oneline-Ausgabe: www.uni-potsdam.de/portal


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009