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LEHRMITTEL/207: Literaturhinweis - Frieden lernen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 09.06.2016

Frieden lernen

Wissenschaftler der Universität Jena veröffentlichen Materialien für den Religions- und Ethikunterricht


"Abwesenheit von Krieg" - so lautet eine gern benutzte Definition von Frieden. Doch umfasst diese simple Erklärung tatsächlich all das, was dieser wohl höchst erstrebenswerte Zustand bedeutet? Und wie verhindert man eigentlich, dass Frieden zu etwas Abstraktem wird, wenn eine solche konkrete Kontrasterfahrung fehlt?

Damit sich Schülerinnen und Schüler im Religions- und Ethikunterricht mit solchen Fragen auseinandersetzen können, haben die Theologin Dr. Marita Koerrenz und ihr Mann, der Theologe und Pädagoge Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz, von der Friedrich-Schiller-Universität Jena einen neuen Materialband zusammengestellt. "Frieden leben" lautet der Titel des kürzlich erschienenen Heftes und er gibt programmatisch vor, worum es den beiden Autoren geht.

Frieden berührt mehrere existenzielle Ebenen der persönlichen Erfahrung

"Sicherlich wird Frieden oft aus der Gegenüberstellung zu Krieg definiert, doch berührt der Begriff mehrere existenzielle Ebenen der persönlichen Erfahrung", erklärt Ralf Koerrenz. Zum einen gebe es etwa den Frieden mit sich selbst - nicht zufällig werde dies auch bezeichnenderweise mit dem Wort "zufrieden" ausgedrückt. Zum anderen beziehe Frieden auch die Verbindung zum unmittelbaren Umfeld eines jeden mit ein. "Darüber hinaus verweist das Thema auch auf die Beziehung des Menschen zur Natur bzw. zur Schöpfung", ergänzt Marita Koerrenz. Diese verschiedenen Ebenen gilt es, in Beziehung miteinander zu setzen, um das Spektrum auszuloten und sich damit klarzumachen, was Frieden für jeden Einzelnen bedeutet.

Gerade Jugendliche sind besonders sensibilisiert für das Thema, bewegen sie sich doch während ihrer Persönlichkeitsentwicklung zwischen den verschiedenen Ebenen. Sie versuchen mit sich selbst klarzukommen, tragen Konflikte mit Freunden, der Familie oder in der Schule aus und beginnen, den Blick auf gesellschaftliche, politische oder auch ökologische Probleme zu weiten. In einer Zeit, in der wir uns einerseits an einen dauerhaften äußerlichen Frieden gewöhnt haben und gleichzeitig durch Medien oder die Erfahrungen von flüchtenden Menschen in Europa wieder zunehmend mit der Abwesenheit von Frieden in Berührung kommen, müssen sich Jugendliche - wie im Übrigen auch die Eltern - vor Augen führen, dass Frieden nichts selbstverständliches ist.

Ein Weg, um sich dem Thema zu nähern, liegt in der Religion, egal ob man gläubig ist oder nicht. "Das Christentum bietet genau dafür viele Denkmodelle und Deutungsmuster, die sich gut auf die Gegenwart übertragen lassen", erläutert Prof. Koerrenz. "Denn die Bibel hält viele Beispiele für die Abwesenheit von Frieden parat und verweist zugleich auf Strategien, wie es gelingen kann, diesen Zustand zu überwinden."

Von Punkband bis Luther

Doch obwohl sich die Autoren aus christlicher Perspektive dem Thema nähern, sind die Materialien, die sie ausgewählt haben, bewusst breit gefächert. So stellen sie etwa den Songtext einer Punkband neben Schriften von Augustinus und Luther, greifen Dokumente wie die Genfer Flüchtlingskonvention und Gedichte von Erich Kästner und Wolfgang Borchert auf und geben mit Texten von Konfuzius und Buddha Einblicke in fernöstliche Auslegungen des Themas. Mit dieser Zusammenstellung verweisen sie darauf, dass Frieden eine Menge mit Offenheit, Toleranz und Respekt zu tun hat.

Bewusst setzen die beiden Jenaer Wissenschaftler einen Text von Dietrich Bonhoeffer an das Ende des Bandes. Darin betont Bonhoeffer, dass die Schaffung und der Erhalt des Friedens ein Prozess ist, der immer wieder Anstrengung und kritisches Bewusstsein erfordert: "Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern, Friede ist das Gegenteil von Sicherung."


Bibliografische Angaben:
Marita Koerrenz und Ralf Koerrenz: Frieden leben: Mit Jugendlichen Religion und Ethik denken, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, 64 Seiten, Preis: 18 Euro, ISBN 978-3-525-77689-6

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein, 09.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2016

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