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BUCHTIP/090: Risikoforschung mit Blick auf Afrika (idw)


Universität Bayreuth - 10.04.2012

Risikoforschung mit Blick auf Afrika



Die Forschungsbeiträge zum neuen Band "Risk and Africa" verbinden theoretische Ansätze der Risikoforschung mit empirischen Untersuchungen. Die Beiträge plädieren für eine Risikokonzeption, die sich nicht einseitig am Diskurs über Technik- oder Umweltrisiken in den Industrieländern orientiert.

Wissenschaftliche und politische Diskussionen zum internationalen Umgang mit Risiken sind oftmals von der Vorstellung beeinflusst, es gebe einen prinzipiellen Unterschied zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Vor allem in Afrika seien die Menschen vorrangig von Naturkatastrophen, Regierungsversagen und ökonomischen Krisen in weitgehend vormodernen Sozialstrukturen bedroht. Hingegen müssten sich die Industrieländer im Norden mit völlig andersgearteten Gefahren auseinandersetzen, die ihre Ursachen im zivilisatorischen und technologischen Fortschritt hätten. Dieser Aufteilung in zwei grundverschiedene Kategorien von Risiken widerspricht der Band "Risk and Africa", den ein Herausgeberteam um Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn (Universität Bayreuth) jetzt veröffentlicht hat.

Die Beiträge befassen sich aus dem Blickwinkel der Sozial-, Wirtschafts- und Geowissenschaften mit verschiedenen Regionen Afrikas, in denen die Menschen mit konkreten Gefahren und sogar mit einer fundamentalen Unsicherheit ihrer Lebensgrundlagen konfrontiert sind. Im Fokus stehen beispielsweise die nomadische Weidewirtschaft in Äthiopien, der Umgang mit Naturrisiken an der beninischen Küste, der sozioökonomische Wandel im Nordwesten Namibias, die Auswirkungen von Klimaänderungen in Kenia oder auch makroökonomische Gefahren, die in der Überschuldung afrikanischer Staaten wurzeln. Die Autoren der Beiträge sind in deutschen und afrikanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen tätig, in vielen Fällen können sie sich auf langjährige eigene Feldforschungen stützen. Indem sie theoretische Ansätze der Risikoforschung mit empirischen Untersuchungen in Afrika verbinden, wollen sie die Herausbildung eines neuen, von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen getragenen Risikobegriffs fördern, der sich nicht einseitig am Diskurs über Technik- oder Umweltrisiken in den Industrieländern orientiert.

Am Beispiel konkreter Lebenswirklichkeiten in Afrika zeigen die Autoren, dass Risiken keine objektiv vorgegebenen Sachverhalte sind, die aus naturwissenschaftlicher Perspektive zureichend analysiert werden können. Vielmehr sind Risiken immer das Ergebnis eines komplexen Zusammenwirkens von geographischen Gegebenheiten, Sozialstrukturen und kulturellen Prozessen, aber auch von Wahrnehmungen, Erwartungen und Kompetenzen der Menschen, die unter diesen Bedingungen leben und überleben. So lassen die in dem Sammelband vereinten Forschungsarbeiten erkennen, dass Risiken in Afrika und in den technologie- und wirtschaftsstarken Ländern des Nordens nicht prinzipiell verschieden sind. Was die Menschen in Afrika vor Ort jeweils als Risiken erleben, sind keine exotischen Vorkommnisse, die von einer auf die Industrieländer bezogenen Begrifflichkeit prinzipiell nicht erfasst werden können. Vielmehr sind auch diese Lebenswirklichkeiten einzubeziehen in eine übergreifende Risikokonzeption, die auf unterschiedliche Zivilisationsformen anwendbar ist.

Welche Institutionen und Entwicklungen in Afrika haben einen Einfluss darauf, wie die Menschen Risiken wahrnehmen und bewerten? Auch dieser Frage widmen sich einige Forschungsbeiträge des neuen Bandes. Dabei wird nicht zuletzt die Rolle afrikanischer Universitäten und Bildungseinrichtungen thematisiert, in denen häufig Risikokonzepte übernommen und kommuniziert werden, die außerhalb von Afrika - aus der Perspektive der Industrieländer - geprägt worden sind. Als nicht zu unterschätzender Faktor erweisen sich auch populäre Kinofilme. Sie prägen das Bild von Naturkatastrophen und Kriegsereignissen, in denen sich der Einzelne zu bewähren hat, und sind damit Teil eines 'kollektiven Gedächtnisses', das in unterschiedlichen Krisenerfahrungen aktiviert werden kann.

Die Forschungsbeiträge des Sammelbandes sind hervorgegangen aus einer internationalen Tagung, die 2008 an der Universität Bayreuth stattfand. Veranstalter waren das Zentrum für Naturrisiken und Entwicklung Bayreuth (ZENEB) und die Bayreuth International Graduate School of African Studies (BIGSAS). Zu den Autoren zählen daher auch einige Doktorandinnen und Doktoranden der BIGSAS sowie eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die im Bereich der Afrikastudien an der Universität Bayreuth oder anderen Partnerhochschulen an der Graduiertenausbildung mitwirken.

Veröffentlichung:
Lena Blomertz, Martin Doevenspeck, Elísio Macamo, Detlef Müller-Mahn (eds.),
Risk and Africa. Multi-Disciplinary Empirical Approaches
Beiträge zur Afrikaforschung 51, Berlin: LIT Verlag, 2012.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution4

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 10.04.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2012