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SCHACH-SPHINX/07332: Sich in Wolken verbeißen (SB)


Theodor W. Adorno galt als streitbarer Geist. Mit kühnen Formulierungen ging er gegen seine geistigen Kontrahenten vor. Vor allem an den philosophischen Theoremen des logischen Positivismus biß sich seine Kritik fest, die ihm - o wunderlicher Vergleich! - so abgeschmackt vorkamen wie eine Schachpartie. Nun muß man wissen, daß für Adorno das Schachspiel keinen kreativen Freiraum darstellte, der sei ihm zufolge nur der Kunst vorbehalten, sondern ein regressives, disziplinäres Gefängnis aus Regeln, deren innere Struktur durch einen Wiederholungszwang zusammengehalten werde. Spiel und Schach waren für ihn nichts anderes als ein negatives Nachbild der entfremdeten Fabrikarbeit. Denker zeichnen sich durch ihre hohe Abstraktionsfähigkeit aus, aber gleichwohl schien Adorno bei seinem Vorwurf gegen das Schach entgangen zu sein, daß Regeln und Übereinkünfte überhaupt die Basisvoraussetzung dafür stellen, daß Menschen, ohne Schaden zu nehmen, in die gedankenvolle Nähe einer Konfrontation kommen können, um die Parameter ihres strategischen Denkens überprüfbar zu machen. Alles andere wäre die Barbarei des Schwertes unter der Hegemonie der Feindschaft. Vor einer roten Ampel stehenzubleiben, muß kein Zeugnis blinder Ergebenheit sein. Im heutigen Rätsel der Sphinx verschenkte der Nachziehende glattweg den Sieg, als er statt 1...Se3-f5+! fatalerweise 1...Se3-d5? präferierte und verlor, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/07332: Sich in Wolken verbeißen (SB)

Gerstener - Krampe
Lübeck 1984

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit 16...Lf8-e7? hatte Pytel den weißen Springer auf g5 ins Visier genommen, aber von dieser Drohung ließ sich Barczay nicht einschüchtern, sondern spielte siegessicher 17.h5xg6! Le7xg5 18.Th1xh7! Th8xh7 19.g6xh7, worauf Schwarz sich zu 19...Lg5-f6 genötigt sah. Statt nun das Geschehen auf dem Brett mit 20.e5xf6 Dd8xf6 verflachen zu lassen, beendete Weiß die Partie ungleich stärker mit einer Kreuzfesselung durch 20.Lc1-g5!!



1. Dezember 2021

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 170 vom 4. Dezember 2021


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