Eine Traube von Kiebitzen umringen ein Brett, an dem zwei Schachspieler nun seit mehr als einer Stunde ihre Züge austauschen. Die Mehrzahl der Zuschauer ist nicht älter als 25 Jahre, nur wenige darunter, an deren Gesichtern man ablesen kann, daß sie die Wahl der Züge auf dem karierten Brett auch kommentieren könnten. Die anderen, soviel ist sicher, beherrschen vom Königlichen Spiel kaum mehr als die Regeln. Und doch, seit eben dieser Stunde hat sich keiner der Kiebitze weggerührt. Alles steht starrenden Auges um den Tisch herum, hält gebannt den Atem an, lauscht auf eine Stimme, die nur in ihren Gedanken zu ihnen spricht. Es ist faszinierend, mitanzusehen, wie ein leichtes Zucken durch ihre Körper geht, wenn auf dem Brett ein gewichtiger Zug ausgeführt wird. Seelenverbundenheit? Physische Übertragung von Gedanken? Unsere Schulwissenschaft schweigt. Der Himmel ist offen und birgt noch viele Geheimnisse unter seinem Mantel. Dann, im heutigen Rätsel der Sphinx, greift Weiß den gegnerischen König mit einer schwindelerregenden Kombination an, bei der eine Dame und ein Läufer geopfert werden, um ein Schachmatt zu erzwingen. Man schaut auf die Gesichter und hat den Eindruck, als hätten sie bis zuletzt mitgelitten, Wanderer.
Vladimirow - Haritonow
UdSSR 1977
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Schwarz schaute zu sehr in die Ferne, achtete nicht der Dinge, die vor
seinen Füßen lagen, und sein König fiel: 1.Sd4-b5! La4xb5 2.Dc3xe5!
und Schwarz gab auf, denn nach 2...Dc7xe5 3.Lb1-g6# ist Matt die
Konsequenz aller Weitsichtigkeit.
Erstveröffentlichung am 7. April 2007
28. April 2020
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