Im relativen Durchschnitt finden sich in Fernschachpartien deutlich mehr Kombinationen und bemerkenswerte Angriffe als beim regulären Turnierbetrieb. Die großzügigere Bedenkzeit erlaubt den Spielern beim Fernschach eben ein längeres und tieferes Hineinforschen in die Stellung. Während beim Nahschach viele riskante Fortsetzungen wegen der rasch dahinschwindenden Zeit gar nicht erst genauer unter die Lupe genommen werden, kann sich der Fernschachenthusiast in aller Ruhe einen Pfad durch das dunkle Dickicht der Unüberschaubarkeit suchen. Das Brett ist dasselbe, aber die Anforderungen an den Geist sind jeweils verschieden. Im Turnier von Angesicht zu Angesicht ist die Uhr der Begrenzer der Phantasie. Die Produktivität muß sich hier die Zeit teilen mit der Vernunft, und vernünftig ist es oftmals, lieber im kleinen See nach Beute zu fischen, als sich auf stürmische Wellen zu begeben. Im heutigen Rätsel der Sphinx nutzte Weiß die "Mehrzeit" für das Ersinnen einer schwindelerregenden Kombination, Wanderer.
Auzins - Ausmanis
Fernpartie 1978
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Fernab vom Streben nach Kommerz konnte Weiß die Kunst nach Belieben
pflegen. Nicht der blasse Widerschein einer publikumsgerechten
Unterhaltung, sondern die Erforschung der Schachgesetze bildeten die
Basis für die charmante Angriffskombination: 1.f4-f5! e6xf5 2.Tf1xf5
f7-f6 3.Tf5-h5 Sd7xe5 4.Ld3xh7+ Kg8-f7 5.Ld2-f4 Tf8-h8 6.Lf4xe5 und
der Nachziehende gab auf, da nach 6...f6xe5 7.Ta1-f1+ die Jagdsaison
auf den schwarzen König beginnt.
Erstveröffentlichung am 22. Februar 2007
14. März 2020
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