SCHACH-SPHINX/07123: Intuition wider Bücherwissen (SB)

1911 in San Sebastian trat der spätere kubanische Weltmeister José Capablanca erstmals auf internationaler Bühne auf, und das gleich mit sichtlichem Erfolg. Bis dahin hatte der alte Kontinent nur gerüchteweise etwas über Capablancas Schachtalent erfahren, und um so begieriger war man auf eine Feuerprobe seines Könnens gespannt. Schließlich traf Capablanca auf Siegbert Tarrasch, dessen Ruf, in jeder Eröffnung bewandert zu sein, weit verbreitet und selbst Capablanca in Hawaii zu Ohren gekommen war. Er erinnerte sich später an dieses denkwürdige Treffen: "Es hieß, daß er eine ausgezeichnete technische Kenntnis jeder Eröffnung besitze, die er anwandte. Er hatte die weißen Figuren und spielte eine Variante der Italienischen Partie, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich behandelte die Stellung entsprechend meinen Ideen der allgemeinen Entwicklung, und nach etwa zehn oder zwölf Zügen begann der Doktor nachzudenken. Er verbrauchte sehr viel Zeit, um seinen nächsten Zug zu machen. Es scheint, daß ich bis zu diesem Punkt die besten Eröffnungszüge entsprechnd den anerkannten Autoritäten ausgeführt hatte, dann aber einen Zug machte, der nicht im Buch stand, mit dem Ergebnis, daß er statt in Vorteil in Nachteil geriet. Das veranlaßte ihn nach der Partie zu der Bemerkung, daß ich die Bücher nicht nur gründlich kenne, sondern sie sogar verbessere." Bis dahin hatte Capablanca nach eigener Erklärung nicht ein einziges Eröffnungsbuch auch nur aufgeschlagen. Das intuitive Erfassen der strategischen Gesetze ersetzt zuweilen eben doch das Hineinschnüffeln in die Fachliteratur. Wer indes von keiner Intuition beleckt ist, sollte hin und wieder seinen Kenntnisstand auffrischen, damit er nicht wie der Nachziehende im heutigen Rätsel der Sphinx das Opfer einer planlosen Eröffnungsbehandlung wird. Also, Wanderer, wie nutzte Weiß die Zerfahrenheit der schwarzen Stellung aus?

Briao - Alves
Fernpartie 1982

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1.Sg5xh7! stellte den Vorstoß in eine fortschrittliche Zeit dar, und da 1...Kg8xh7 2.Te3-h3+ Kh7-g7 3.Dc2-c3+ Te7-e5 4.f2-f4 kaum annehmbar war, entschied sich Schwarz für 1...Te7xe3, was jedoch nicht minder hoffnungslos war: 2.Dc2xg6+ Kg8-h8 - 2...Dd7-g7 3.Sh7-f6+ Kg8-f8 4.Dg6xg7+ Kf8xg7 5.Sf6xe8+ - 3.f2xe3 und Schwarz gab auf, da er für die beiden verlorenen Bauern keine Kompensation besaß. Auf 3...Te8-g8 folgt einfach 4.Sh7-f6 usw.

Erstveröffentlichung am 28. November 2006

18. Dezember 2019

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