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SCHACH-SPHINX/07058: Immerwährende Frage (SB)


Die Frage nach dem Können der alten Meister aus dem 19. Jahrhundert bleibt wohl immer aktuell. Könnten sie heutzutage noch im Turnierbetrieb bestehen? Und hätten gar die früheren Weltmeister Chancen auf den Thron? In ähnlicher Weise hat man auch im 19. Jahrhundert solche Überlegungen angestellt. Dahinter verbirgt sich wohl der verständliche Wunsch, eine Höher- und Weiterentwicklung der Schachkunst in den Lauf der Zeit hineinzuinterpretieren. Doch muß man mit derartigen Einschätzungen vorsichtig sein. Das Schach einer jeden Epoche war maßgeblich an den eigenen Prämissen orientiert. Alexander Aljechin hat so und nicht anders Schach gespielt, weil seine Turnierkontrahenten so und nicht anders gespielt haben. Es ist dennoch interessant, daß beispielsweise Garry Kasparow nur mehr Emanuel Lasker eine Chance einräumt, in der heutigen Zeit ein vollwertiger Gegner zu sein, "denn er war sehr lernfähig. Selbst mit 50, ja 60 Jahren war er den jungen Spielern noch überlegen. Capablanca wollte nicht hinzulernen. Nach seiner Niederlage gegen Aljechin waren seine Partien recht mäßig, langweilig und ohne Inspiration". Von dieser Lernfähigkeit und psychologischen Gewitzheit gibt Lasker im heutigen Rätsel der Sphinx ein Beispiel, und ausgerechnet gegen Capablanca, der mit den schwarzen Steinen Laskers originelle Partieführung nicht durchschaut hatte und schließlich unterlag. Nun, Wanderer, die weiße Position steht zum Durchbruch bereit!



SCHACH-SPHINX/07058: Immerwährende Frage (SB)

Lasker - Capablanca
St. Petersburg 1914

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Lobron ließ sich von der weißen Drohung nach 1.Dd1-h5? nicht täuschen und spielte hasardeurhaft 1...d4-d3!, wissend, daß sein Kontrahent Kagan nach 2.Ld2xh6? Lg7xh6 3.Dh5xh6 Te7-h7 4.Dh6-e3 Th7xh2! bzw. 4.Dh6-d2 Dd8-h4 5.h2-h3 Se5-f3+! 6.g2xf3 Dh4-g3+ unters Messer gekommen wäre. Also verzichtete der Israeli aufs Harakiri und spielte besonnener 2.h2-h3. Doch der falsche Damenzug hatte bereits den schwarzen Angriff losgetreten: 2...f5-f4! 3.Te1-f1 f4-f3! 4.g2xf3 Tf8- f4! 5.Lf1xd3 - weil 5.Ld2xf4 Sg6xf4 6.Dh5-h4 Lg7-f6! 7.Dh4-e1 Te7-g7+ sofort entscheidet - 5...Tf4-h4 6.Ld3xg6 Th4xh5 7.Lg6xh5 Se5-d3 8.Tc1- c3 - bitter, aber nach 8.Tc1-c2 Le6xh3 gab es nur noch die Kapitulation - 8...Lg7xc3 9.Ld2xc3 Sd3-f4 10.Kg1-h2 Sf4xh5 11.Tf1-g1+ Kg8-h7 12.f3-f4 Sh5xf4 13.Sd6-e4 Sf4-h5 14.Tg1-g2 Le6xh3 15.Tg2-d2 Dd8- f8 und Weiß willigte in die längst überfällige Niederlage ein.


Erstveröffentlichung am 24. September 2006

14. Oktober 2019


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