Im Dörfchen Ströbeck kennt man die Bedeutung des Wörtchens "Ehre" noch sehr genau. Betritt man die Gemeinde, so blickt einem am Gasthofe ein in Marmor gehauenes Schachbrett im Schilde entgegen, und man ahnt zu Recht, den Fuß in eine alte Schachgemeinde gesetzt zu haben. Auch das Ortssiegel verrät diese Leidenschaft fürs Königliche Spiel. Und fragt man die Einheimischen, so versichern sie einem, daß in der Obhut des Dorfschulzen sich ein Brett befinde, das einst ein Geschenk war des Königs Friedrich Wilhelm I. an die schachliebenden Bauern dieses Örtchens. Nun wird in Ströbeck wie seit alters her ein sehr lebhaftes Schach gespielt, denn die Rochade - für die meisten eine fremdländische Regel - ist bei ihnen verpönnt. Man sagt, rochieren sei schimpflich, denn kein König dürfe sich verkriechen während einer Schlacht. Auch im heutigen Rätsel der Sphinx beherzigten beide Spieler diesen Ströbeckschen Sinn für Ehre. In einer kampfbetonten Partie zog Schwarz nun 1...Da2-a4, worauf nach tumulthaften Manövern Weiß das Siegesbanner emporschwingen konnte. Nun fragt man sich vielleicht, weswegen Schwarz nicht einfach 1...Lf8-b4 gespielt hatte, ein Zug, der doch anscheinend zu deutlichem Vorteil führt, oder, Wanderer?
Reinhardt - Panno
Buenos Aires 1965
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Trotz des legitimierten Raubes eine wahre Perle an Geist und Witz,
aber eben urheberrechtlich nicht geschützt: 1.Tg1xg7+! Kh7xg7 2.Df2-
g1+! Kg7-h7 3.Dg1-c1 und Schwarz gab auf.
Erstveröffentlichung am 9. August 2006
29. August 2019
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