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SCHACH-SPHINX/06600: Wehe dem Gefesselten (SB)


Schachspieler sollten das Nietzsche-Wort vom "Fesselfeind" beherzigen. Schon so manche Partie ging an dieser Art von Drohung zugrunde, ohne daß sich der Gefesselte aus den Stricken befreien konnte. Fesselungszüge gibt es in fast jeder Eröffnung, und die Theorie hat entsprechende Befreiungs- und Entkräftungsmanöver ersonnen, um diese Belästigung von sich abzuschütteln. Die hohe Kunst der Fesselung besteht freilich darin, im Mittelspiel eine Opferfigur auszusuchen, die dann horizontal, diagonal und am besten kreuz und quer in Bande geschlagen und erstickt wird. Es ist dies indes eine Kunst, die nur wenige Großmeister mit Vollendung beherrschen. Garry Kasparow gehört zu jenem engen Kreis und im heutigen Rätsel der Sphinx ging ihm sein Landsmann Barejew ins Netz. Alles Zappeln, Sichsträuben und Wehren half nichts, der Springer auf d7 blieb im Eisen. Da alle schwarzen Figuren an die Rettung der Figur gebunden waren, konnte Kasparow wie nebenher einen Angriff auf die schwarze Majestät unternehmen. Er hatte zuletzt 1.h4-h5! gezogen, worauf Barejew nach 1...g6-g5?! 2.Dd1-f3 Kh7- g7 3.Df3-f5 b7-b6 4.Le3xg5! die Waffen streckte wegen der Möglichkeit 4...h6xg5 5.Df5xg5+ Kg7-f8 6.h5-h6. Nun hätte Barejew allerdings auch 1...g6xh5 und 1...Kh7-g7 ziehen können, und damit an dich die Frage, Wanderer, wie Kasparow darauf die Kapitulation des Schwarzen erzwungen hätte.



SCHACH-SPHINX/06600: Wehe dem Gefesselten (SB)

Kasparow - Barejew
Nowgorod 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Es ist nicht bekannt, ob Kortschnoj die Partie von Lutz gegen Piket kannte oder erst in Horgen die wesentliche Verstärkung des weißen Angriffs fand. Jedenfalls konnte er mit 1.Tf1-d1! dem weißen Spiel eine gefährliche Note geben. Lutz verteidigte sich geschickt mit 1...Sd3-c5 - wohl auch, weil er erkannt hatte, daß mit 1...Lf8-c5 2.Td1xd3! c4xd3 3.De2xd3 oder 2...Lc5xf2+ 3.Kg1-g2! c4xd3 4.De2xd3 nichts als Ärger zu gewinnen war - 2.De2xc4! De5xe4 3.Dc4-b5 Kc8-c7 4.Lg5-e3 Th8-h5 - 4...De4-c6? 5.Le3-f4+ - 5.Db5-e8 Th5-d5!, mußte sich dann jedoch der letzten Angriffsreserve durch 6.Td1-a1! Td5-d8 7.De8xf7+ Kc7-c6 8.Df7xa7 De4-c2 9.h2-h4! Dc2xb3?! - geht dem Ende mit offenen Armen entgegen, aber guter Rat war schon teuer geworden - 10.Kg1-h2 Lf8-d6 11.Ta1-c1 Db3-d5 12.Da7-a4+ Kc6-c7 13.Da4-b5 Td8-h8 14.Tc1xc5+ Ld6xc5 15.Db5xc5+ beugen. Schwarz gab auf, da er eher früher als später den Turm für den weißen f-Bauern geben mußte.


Erstveröffentlichung am 22. Juni 2005

19. Juni 2018


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