Was wäre eigentlich geschehen, wenn Paul Morphy, Amerikas Komet am Schachhimmel des 19. Jahrhunderts, nach Beendigung seines Jurastudiums sein 21. Lebensjahr bereits abgeschlossen hätte. Fast zwei Jahre fehlten ihm allerdings bis zur Volljährigkeit, und weil er gerade in New York die besten Spieler seines Landes besiegt hatte, ohne die Stirn kräuseln zu müssen, zog es ihn, vielleicht als Müßiggang, vielleicht aus Abenteuerlust, nach Europa, wo der alte Kontinent gerade im turnierschachlichen Sinne ein wenig zusammengewachsen war. Morphy nahm die Route entlang des kontinentalen Risses. Von London aus schiffte er sich über den Ärmelkanal nach Paris. War man ihm im London noch mit kühler Zurückhaltung begegnet, so brannten in der französischen Metropole bereits die Freudenfeuer, als Morphy seinen Fuß in die geweihte Schachhochburg setzte. Wie gesagt, er wollte sich eigentlich nur die Zeit vertreiben, bis er den Beruf des Juristen ausüben konnte. Nach Erreichen des 21. Lebensjahres trat er die Rückreise an, froherdinge und sollte doch arg enttäuscht werden. Seine amerikanischen Landsleute, sofern man dies zur damaligen Zeit überhaupt sagen konnte, sahen in ihm zwar einen Helden der 64 Felder. Großes Vertrauen in seine Rechtskenntnis hatten sie indes nicht. So kamen nur wenige Klienten zu ihm, und als der Sezessionskrieg einen ganzen Kontinent unter sich begrub im Feuerwirbel der Kanonen und Geschosse, da war für einen Rechtsgelehrten ohnehin kein Ruhm zu gewinnen. Morphy verdüsterte, versank in eine seelische Nacht, aus der es kein Morgengrauen mehr gab. Die Welt hatte die jungen Schaffensjahre eines Schachmeisters miterleben dürfen, einen Mann des Rechtes aber verloren. Im heutigen Rätsel der Sphinx dürfen wir sein Talent noch einmal bewundern. Mit den weißen Steinen zauberte er eine kleine Kombination hervor, die seinem Kontrahenten Harrwitz allerdings verborgen geblieben war, bis er von ihr überrascht wurde. Also, Wanderer, sternenwärts Ziehender, beschreite Morphys Spuren!
Morphy - Harrwitz
Paris 1858
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Kortschnoj stand im Endspiel schon so schlecht, daß es Karpow leicht
hatte, die Daumenschrauben enger zu ziehen. Nach 1.Dc3-a3 stellte er
mit 1...a7-a5! 2.Tb4xa4 Dd7-b5! die Drohung 3...Db5-e2 auf. Die weißen
Figuren wirkten bemitleidenswert in ihrer Mattigkeit und schieren
Unbeholfenheit. Kortschnoj wehrte der ersten Drohung mit 3.Td1-d2,
fiel jedoch der zweiten bald schon zum Opfer: 3...e6-e5! 4.f4xe5
Td5xe5 5.Da3-a1 - zäheren Widerstand hätte 5.Td2-f2 Te5-e1+ 6.Kg1-g2
Db5-c6+ 7.d4-d5!? Dc6xd5+ 8.Da3-f3 geleistet - 5...Db5-e8 6.d4xe5
Td8xd2 7.Ta4xa5 De8-c6 8.Ta5-a8+ Kg8-h7 9.Da1-b1+ g7-g6 10.Db1-f1 Dc6-
c5+ 11.Kg1-h1 Dc5-d5+ und Weiß gab auf, weil er nach 12.Kh1-g1 Td2-d1
die Dame verliert.
Erstveröffentlichung am 1. März 2005
25. Februar 2018
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