SCHACH-SPHINX/06374: Ringen mit höheren Mächten (SB)

Musik, Perfektion in Noten, und Schach haben vieles gemein. Nicht nur, daß einige der berühmtesten Meister der Geschichte es in beiden Künsten zu großer Könnerschaft brachten, ist ein beredtes Zeugnis von der tiefen Seelenverwandtschaft. Den Klang und die Notenfolge sphärisch zu verdichten, mag für den Musiker ein ebensolcher Anreiz, ja ein unergründliches Bedürfnis sein, wie es für den Schachspieler zur Leidenschaft werden kann, das Kräftespiel der Figuren zur Signatur eines einzigartigen Geschicks zu treiben, zu suchen, zu vollenden und zuletzt doch zu erkennen, daß die Kunst zwar Einblicke schenkt, ihr ganzes Profil jedoch hinter unbegreiflichen Schleiern verborgen hält. Mark Taimanow hatte von beiden Sphären gekostet, hatte als Siebenjähriger die Leningrader Musikhochschule besucht, erhielt dann als Zehnjähriger die Goldmedaille beim Pariser Filmfestival 1937 für seine Hauptrolle im "Beethoven-Konzert" und stieg nebenher bis nahe an den Olymp des Schachspiels hinauf. Nie herrschte Zwietracht in seiner Seele. Beide Künste liebte und vergötterte er und schuf in seinen Partien goldene Tempel wie im heutigen Rätsel der Sphinx, als er im Leningrader Turnier von 1977 den Weltmeister Anatoli Karpow auf unnachahmlich musikalische Weise schlug. Man muß mit Höherem ringen, Wanderer, um die Siegeskombination nach Karpows letztem Fehlzug 1.b5- b6? zu finden!

Karpow - Taimanow
Leningrad 1977

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Auf dem Brett fand sich Wolfgang Uhlmann fast immer zurecht, egal, was die Uhr geschlagen hatte. Mit 1...e5-e4! 2.Df3xe4 Lg7xc3 gewann der DDR-Meister eine Figur, die er nach 3.g3-g4 Dd8-h4 4.De4-d5+ Kg8-h8 5.g4xf5 zurückgab und sich dafür am weißen König schadlos hielt: 5...Tf8xf5 6.Dd5xb7 Ta8-f8 7.f2-f3 Lc3-e5 8.Tb1-b2 Sh5-f4 - was ging ihm der Qualitätsgewinn an - 9.Tb2-c2 Dh4-h3!, wenn er dank der Drohung Tf5-g5+ die ganze Partie erobern konnte.

Erstveröffentlichung am 9. November 2004

4. November 2017

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