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SCHACH-SPHINX/06119: Von einem Türken bekehrt (SB)


Als der Spielzeugmacher und Hofrat der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, Wolfgang von Kempelen, seinen Schachautomaten erfand und ihn, gemäß der damaligen Vorliebe für alles Orientalische, in der Gestalt eines Türken gestaltete, spaltete sich das Publikum in zwei Lager. Die einen - Skeptiker, Zweifler und Leute von Vernunft - glaubten an einen simplen Trick und wurden nicht müde, hinter das Geheimnis des schachspielenden Osmanen zu dringen. Andere hingegen waren zutiefst überzeugt, daß dieses mechanische Wunderwerk ohne fremde Hilfe funktionierte. Die Zweifler hatten es schwerer und waren sonderbarerweise sogar leichter von ihren anfänglich gehegten Verdachtsmomenten zu bekehren. Karl Gottlieb von Windisch veröffentlichte 1783 ein Buch mit dem Titel: "Brief über den Schachspieler des Hrn. von Kempelen". Darin beschrieb er seine erste Begegnung und wie er von einem Saulus zu einem Paulus verwandelt wurde folgendermaßen: "Als ich es zum erstenmale sah, wie der Erfinder seinen Türken aus einer Alkove hervorschob, und ich den großen Kasten, an den er sitzt, erblickte, so dachte ich gleich, wie vielleicht alle, die ihn mit mir zum erstenmale sahen: Groß genug, einen Knaben darinnen zu verbergen; und ich gab allen, welche ziemlich laut behaupteten, daß ein Kind in diesem Kasten stecke, in meinem Herzen um so vielmehr Beifall, als es nach meinem Augenmaße, auch wohl ein Bube von zehn und mehr Jahren seyn konnte. - Als der Herr von Kempelen aber gleich darauf die Thüren dieses Kastens öffnete, die Schublade herauszog, und sogar die Kleider der Figur am Rücken hinaufschlug - als er den Kasten, der auf vier Walzen steht, herumdrehte, und der ganzen Gesellschaft erlaubte, alles von vorne und von hinten genau zu besehen -, und ich, wie Sie leicht denken können, keinen Winkel unbesehen ließ, doch aber keinen verborgenen Ort fand, der auch nur einen Hut beherbergen könnte: so stand ich ganz verwirrt, und beschämt da, ja, es schmerzte mich nicht wenig, daß meine Hauptentdeckung, die ich gleich beim Eintritte so glücklich gemacht zu haben glaubte, auf einmal wie ein Rauch verflog!" Die rationale Standfestigkeit hatte sich aufs Glatteis führen lassen. Im heutigen Rätsel der Sphinx hätte auch kein "Türke" Kempelener Prägung den schwedischen Jungmeister Akesson von der Sicherheit des schwarzen Königs überzeugen können. Also, Wanderer, Skepsis ist die erste Stufe zum Denken!



SCHACH-SPHINX/06119: Von einem Türken bekehrt (SB)

Akesson - Tovillas
Dortmund 1980

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Robert Hübner machte sich als Feuerteufel einen Namen, als er mit 1.Sc4xe5+! die schwarze Stellung in Brand setzte: 1...d6xe5 2.Tg4-d4+! Le6-d5 - 2...e5xd4 3.Df2xd4+ und Matt in wenigen Zügen - 3.Td4xd5+ Kd7- e6 4.Td5-c5 Dh3-h6+ 5.Kc1-b1 Dh6-f4 - 5...Lh8xf6? 6.Tc5-c6+ Ke6-e7 7.Lb6-c5+ - 6.Tc5-c6+ Ke6-f5 7.Df2-e2 h7-h6 8.Tb2-b3 Kf5-g6 9.Tb3-f3 Df4-d4 10.Tf3-b3 Dd4-d5 und Portisch gab auf, nachdem er sah, daß es nach 11.De2-g4+ keine Rettung mehr für ihn gab.


Erstveröffentlichung am 02. März 2004

22. Februar 2017


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