Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05984: Selbst aus China kam Besuch (SB)


Nachdem Max Euwe seinen aktiven Dienst am Schachbrett beendet hatte, besaßen die Holländer lange Zeit nur in Jan Hein Donner einen Weltklassespieler. Später sollte Jan Timman von sich reden machen. Doch mit dem Tod Donners 1988 verlor das holländische Schach nicht nur seine wichtigste Galionsfigur, obwohl der Großmeister zuletzt mehr mit seiner literarischen Tätigkeit beschäftigt war, sondern auch einen Repräsentanten besserer Tage. Ihm zu Gedenken wurde 1994 in Amsterdam das Donner-Memorial veranstaltet, zu dem so ziemlich alles, was Rang und Namen besaß, eingeladen wurde. Selbst aus China kam die damalige Weltmeisterin Jun Xie und bezauberte nicht nur durch ihre auffallende Höflichkeit das Turnier, sondern auch mit scharfgewürzten Zügen. Ausgetragen wurde das Donner-Memorial in der "Nieuwe Kerk" neben dem Königspalast beim Dam. Nach dem Ende der OHRA-Turniere besaß die holländische Metropole damit ein neues Schachfoyer. Der würdige Anlaß gab der Veranstaltung dann das passende Ambiente. Bedauerlich war, daß ein alter Mitstreiter Donners, der dänische Großmeister Bent Larsen, nach seiner Ankunft aus Buenos Aires, schwer erkrankte und in einem Krankenhaus behandelt werden mußte. Aus dem Donner-Memorial stammt auch das heutige Rätsel der Sphinx, wo der Deutschamerikaner Erik Lobron am spielerischen Charme der chinesischen Meisterin zerschellte. Lobron hatte zuletzt ein wenig plump 1.Sa5xb7 gespielt, wohl wissend, daß seine Kontrahentin nicht einmal in Zeitnot auf 1...Tb8xb7?? 2.Td6- d8# hereinfallen würde. Warum er den b-Bauern dennoch verspeiste? Nun, ihm waren langsam alle Ideen ausgegangen; nicht so jedoch der Chinesin, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05984: Selbst aus China kam Besuch (SB)

Lobron - Jun Xie
Amsterdam 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...Se7-d5? war ein grober, für Kramnik nicht typischer Fehlzug. Kasparows Widerlegung mußte allerdings am Brett erst nach mikroskopischer Suche gefunden werden. Kein Wunder also, daß Kramnik die prachtvolle Wendung übersah: 2.h4-h5! Sd5xf4 3.h5xg6! und nun hätte 3...Sf4-d3+ - 3...Sf4xh3 4.g6xf7! - nichts genützt wegen 4.Th3xd3! e4xd3 5.g6xf7. Kramnik spielte 3...Db6xd6 4.Th3xh7+ Kh8-g8 5.g6xf7+ Kg8xh7 6.f7xe8D Sf4xe6 7.Lg4-f5+! Kh7-g7 8.De8-g6+ Kg7-f8 9.Dg6xf6+ Kf8-e8 10.Lf5xe6 und hier unterlief ihm mit 10...Dd6-f8? 11.Le6-d7+ ein krasser Zeitnotfehler. Das verhältnismäßig bessere 10...e4-e3 11.f2xe3 Lb7xg2 12.Le6-f7+ Ke8-d7 13.Lf7-e8+ Kd7-c7 14.Df6- g7+ Kc7-d8 15.Le8xb5 Lg2-f3 16.Lb5-a4 hätte die Leiden des jungen Kramnik jedoch nur unnötig verlängert.


Erstveröffentlichung am 20. Oktober 2003

10. Oktober 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang