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SCHACH-SPHINX/05919: Der Scharfrichter von Berlin (SB)


Da wütet ein Schachmeister auf dem Brett wie ein Teufel. Man sieht ihm zu und denkt, was muß das für ein jähzorniger, aufbrausender Charakter sein. Keine Minute möchte man mit einem solchen Menschen im selben Zimmer verweilen. Wie zur Bestätigung erfährt man dann, daß dieser den grausig-gefährlichen Kampfnamen "Scharfrichter von Berlin" trägt. Man bewundert seine Partien, fürchtet jedoch seine Bekanntschaft. In der Tat, wer Kurt Richters Partien nachspielt, mag zu diesem Schluß kommen und hätte sich doch sehr in seiner Person getäuscht. Privat war der schärfste deutsche Angriffsspieler, der je Schach gespielt hat, von solch herzgewinnendem Charme, war so voller Bescheidenheit im Auftreten und friedfertigem Gemüt, daß man ihn nie und nimmer mit seinen Partien in Zusammenhang hätte bringen können. Solche Januscharaktere hat es nicht wenige in der Schachwelt gegeben. Wer geglaubt hätte, daß der Rigaer Meister Michail Tal ein durch und durch verschwenderischer, haltloser Mensch sei, weil er in seinen Partien eine Figur nach der anderen hergab für einen schwindelerregenden Angriff, der hätte ein Lamm mit einem Wolf verwechselt. Der spielerische Erfindungsreichtum, die Kühnheit im Blankziehen des kombinatorischen Schwertes, all die Ränke, giftigen Pointen, ja all die besinnungslos anmutende Sturmgewalt ihrer Angriffszüge, verglichen mit dem privaten Menschen waren sie Alpträumen wie aus einem anderen Reich. Mag Phantasie, mag mit Wahn vermischte Genialität die Ursache gewesen sein, daß Richter und Tal, um nur zwei Kombinationsdrachen zu nennen, so bösartig schienen, als Menschen hatten sie sich ihr Menschliches durchaus bewahrt. Im heutigen Rätsel der Sphinx siegte das dämonische Spielnaturell von Richter über seinen Kontrahenten Stahlberg, der seine Dame zuletzt mit 1...Dc5-b6 entfesselt hatte und glaubte 2...Se3xd1 zu drohen. Also, Wanderer, wieviel Gewicht hatte diese Drohung wirklich?



SCHACH-SPHINX/05919: Der Scharfrichter von Berlin (SB)

Richter - Stahlberg
Podebrad 1936

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...Sc4-a5 sah gut und solide aus, scheiterte allerdings an der findigen Antwort Riblis: 2.Sc3xd5! Sa5xb3 3.Sd5xe7+ Kg8-f7 4.Td1xd7 Sb3xc1 5.Td7xb7 Kf7xf6 6.Se7xc8 Td8xc8 7.Tb7xa7 Tc8-c2 8.b2-b4 Tc2-b2 9.a2-a4 und nun gab Ribli zwei von seinen drei Mehrbauern zurück und schuf nach 9...Tb2xb4 10.a4-a5 Sc1xe2 11.a5-a6 Tb4-a4 12.Ta7-a8 Kf6-f7 13.a6-a7 e6-e5 14.Lg2-c6 Ta4-a6 15.Lc6-e8+! Kf7-e7 16.Le8-h5! eine für Schwarz hoffnungslose Stellung. Stajcic gab auf, wohl wissend, daß er nach 16...Se2-d4 17.Ta8-g8! Ta6xa7 18.Tg8xg7+ zerpflückt worden wäre.


Erstveröffentlichung am 18. August 2003

05. August 2016


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