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SCHACH-SPHINX/05784: Gebildet klingt es schöner (SB)



"Jedes Weibes Fehler ist des Mannes Schuld", schrieb der Prediger und Dichter Johann Gottfried von Herder und mahnte damit an, zu verhüten, daß sich die Frau in Schwierigkeiten bringt, wenn Mann ihr allzu viel Freiheiten läßt. Die Kulturgeschichte der Frau ist eine ungebrochene Folge von Bevormundung und Unterdrückung, aber es klingt gebildeter und nicht so scharf, wenn man es wie Herder formuliert. Auch auf den Schachbrett trifft man auf vielerlei sogenannte männliche Fehler in bezug auf die Dame. In der Polugajewesky-Variante der Sizilianischen Verteidigung wird sie mit allem Pomp als zweite Figur hinter dem Königsspringer ins Feld geführt und diktiert dort für eine Handvoll Züge das Brettgeschehen. Andere Eröffnungen verstecken ihre Dame gern bis zuletzt. Ganz schüchtern sitzt sie auf ihren Platz, dieses Heimchen am Herd, und überläßt das raue Kriegshandwerk dem männlichen Arm. Hüte jeder seine Dame nach seiner Art, mag der Moralist einwerfen, sie ist mein bestes Stück. Sorglos sollte man in der Tat nicht mit der Dame des Brettes umgehen, sonst erlebt man einen solchen Reinfall wie unser englischer Schachfreund Amos Burn. Das heutige Rätsel der Sphinx ist kinderleicht, es soll auch nur erheitern und zeigen, wozu männliche Narren alles fähig sind, wenn sie ihre Dame verbarrikadieren. Also, Wanderer, nur ein Vergnügen auf dem Weg. Burn hatte zuletzt 1...Se6-g5?? gezogen.


SCHACH-SPHINX/05784: Gebildet klingt es schöner (SB)

Tarrasch - Burn
Ostende 1907

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Tod der weißen Stellung kam über die schwarzen Felder. Nach 1...c7- c6! 2.d5xc6 Dg7-a7! - ungewöhnlich und schön - war gegen das Abzugsschach nichts zu erfinden. Auf 3.Te1-e3 entscheidet einfach 3...Sc5xe4+


Erstveröffentlichung am 07. April 2003

23. März 2016


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