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SCHACH-SPHINX/05651: Kabbalistischer Meister (SB)


Das Tiefe bleibt immer verborgen. Nach dieser Maxime schien der polnische Großmeister Akiba Rubinstein zeitlebens zu verfahren. Er war keiner, der, sinnbildlich gesprochen, mit einem Spaten loszog, um irgendwo nach diesem Verborgenen zu graben, nach dieser Essenz, die er nicht kannte. Daß in seinen Partien zuweilen eine Ahnung davon aufblitzte, zu welcher enormen Denktiefe er hinabsteigen konnte, wirft die Frage auf, warum er sich nicht gänzlich von seinen Ketten befreite. Aber nicht Mut, sondern eine robuste Gesundheit fehlte ihm dazu. Sein Vater hatte ihn zum Rabbineramt hindrängen wollen. Rubinstein widerstand, litt aber auch darunter. Und doch, ist im Kabbalistischen nicht die Zahlenmagie das treibende Rad, das alles in Bewegung hält? Sein Schachstil war gerade deswegen Religionsersatz. Franz Gutmayer hatte über ihn gesagt, "weil ihm glücklicherweise das absichtliche Verbergen seiner Schwäche fern liegt und er deshalb weit natürlicher und bescheidener und ohne Pose sein Schach ausübt", sei Rubinstein fähig, Glaubwürdigkeit zu erwecken. Da war kein Falsch an ihm. Fast schien es, als seien Partien für Rubinstein so etwas Inbrünstiges wie ein Gebet. Wäre sein kränkelnder Zustand nicht gewesen und hätte ihn eine beginnende Geistesschwäche dem Schachspiel nicht entrissen, aus Rubinstein wär wohl ein Meister ohne Beispiel geworden. Im heutigen Rätsel der Sphinx zeigte er gegen Richard Teichmann, wie sich die Figuren aus einer unscheinbaren Ruhe heraus machtvoll zu einem Angriff formieren können. Also, Wanderer, was lag in der Luft?



SCHACH-SPHINX/05651: Kabbalistischer Meister (SB)

Rubinstein - Teichmann
Wien 1908

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
In der Eile des Abgabezuges übersah Aljechin die im Angriff auf den schwarzen König gemünzte Gewinnkombination. Erst Meister Judowitsch legte später die effektvolle Bündelung der weißen Kräfte frei. Keres hätte auf 1.Td4xb4! De6xd6 erwidern müssen, da 1...Td8xd6 an 2.Dd3-g6+ gescheitert wäre. Anders als beim Abgabezug konnte die weiße Dame nun von der Brettmitte aus die Angriffslinien zusammenziehen: 2.Dd3-c4+ Kf7-f8 - 2...Dd6-d5 3.Tb4-b7+ nebst 4.Dc4-c7 - 3.Tb4-b7 Td8-d7 4.Dc4- c8+ Kf8-e7 5.Tb7-b3! f6-f5 - 5...Ke7-f7 6.Tb3-b8 oder 5...Td7-d8 6.Dc8- g4 Ke7-f7 7.Tb3-b7+ - 6.Dc8-g8 Ke7-f6 - 6...De6-f6 7.Tb3-e3+ Ke7-d6 8.Dc8-b8+ - 7.Dg8-e8! - schließt den Mattgürtel endgültig um den schwarzen König - 7...Td7-f7 - 7...Kf6-g5 8.Tb3-d3! Dd6-b6 9.f2-f4+ Kg5-g4 10.De8-e2+ - 8.f2-f4! und gegen die Drohung 9.Tb3-b6 und 10.De8- e5# gäbe es keine sinnvolle Parade.


Erstveröffentlichung am 26. November 2002

07. November 2015


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