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SCHACH-SPHINX/05583: Tautologisches Eigentor (SB)


Nun, mit dem Denken haben die Schachspieler so ihre Schwierigkeiten. Gewiß, sie tun's, nur, wie und was und warum und wo genau, all das will der Verstand nicht preisgeben. So tappsen sie im dunkeln und halten das Dunkle in der Not schon für das Eigentliche. Recht hübsch klingt, was der Philosoph Leibniz dazu von sich gab über den Schulterschluß von Schach und Denken: "Schach vervollkommnet das Denken." Mehr als ein tautologisches Eigentor kam unterdessen nicht heraus. Zu verworren sind die Äußerungen des Geistes. Ob sich das Denken nun unter- oder oberhalb des Bewußtseins darin übt, sich Klarheit über die vielen ungereimten Dinge des Lebens zu verschaffen, der Kopf muß allemal herhalten, wenn Stellungsbilder analysiert oder räumliches Vorstellungsvermögen durchdacht werden sollen. Im Zeitalter der Maschinen und Computer übertrug man das eigene Unverständnis auf die Bytesgehirne mit dem Resultat, daß fortan der Streit, ob diese künstlichen Artefakte nun intelligent seien oder nicht, das Lager der Denkfabriken und ihrer Konstrukteure entzweite. Auf dem Mond hat der Mensch seinen Fuß hingesetzt, das Geheimnis der Tiefsee ist er am Ergründen, aber keine Verwirrung scheint größer zu sein, als noch dem kleinsten Gedanken auf die Spur seiner Entstehung zu kommen. So werden Schachspieler wohl noch in hundert Jahren unisono behaupten müssen, sie denken, weil sie eben denken und einmal zu Ende gedacht, Wanderer, kannst du ergründen, warum Meister Bronstein im heutigen Rätsel der Sphinx 1...b7-b5? zog, was seinem Kontrahenten Lipnizki die Möglichkeit gab, mit 2.Dc4-d4! Td5xd4 3.Lb3xf7 die Partie zu remisieren? Oder anders gefragt: Wie hätte er statt dessen spielen müssen, um sich eine gewonnene Stellung zu verschaffen?



SCHACH-SPHINX/05583: Tautologisches Eigentor (SB)

Lipnizki - Bronstein
Moskau 1952

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Meister aus Chile, Cifuentes Parada, sorgte sich um dieses Endspiel nicht. Bedenkenlos konnte er seinen Springer mit 1...Sf5xg7! opfern, weil er nämlich nach 2.Sh5xg7 c5-c4! selbst in den Genuß einer neuen Dame kam: 3.c3xb4 c4xb3 4.Ke2-d1 e4-e3 oder 3.b3xc4 b4-b3 4.Ke1- d1 e4-e3 und schließlich noch 3.Sg7-h5 c4xb3 4.Ke2-d1 b4xc3. Aber soweit mußte es nicht erst kommen, sein Kontrahent Hon gab schon nach 2...c5-c4! in weiser Voraussicht auf.


Erstveröffentlichung am 20. September 2002

31. August 2015


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