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SCHACH-SPHINX/05582: Salbadernde Flachheit (SB)


'Mit der Hoffnung ist es eine verzwickte Sache', grummelt der Schachspieler am gegenüberliegenden Brettrand. Die Partie geht nun schon seit vier Stunden. Seine Stellung sieht jedoch alles andere als vertrauenserweckend aus, aber das auch schon seit fast drei Stunden. Beharrlichkeit, so heißt seine drangsalierende Tugend. Jeden Zug scheint er dreimal umzudrehen. Offenbar macht die Nähe zur Niederlage geschwätzig, denn er hört gar nicht mehr auf, sich in Philosophien zu verlieren. Müde höre ich zu, wie er zu verdeutlichen sucht, daß in jeder Stellung auch der Keim zur Rettung steckt. Nur mühsam unterdrücke ich ein Gähnen. Nichts ist einschläfernder als salbadernde Flachheit. Ich mache meinen Zug. Vor einer Viertelstunde kannte ich ihn schon, aber was soll's, Geduld macht stark, sage ich mir und gebe mir eine Überdosis 'Nimm's leicht, Junge'. Der Schlußakkord beginnt. Meine Freibauern rennen. Es ist irgendwie überflüssig, eine Partie zu gewinnen, die schon vor 20 Zügen komplett auf Sieg stand. Ich werfe meinem Gegenüber ein Lächeln zu - es hätte genausogut ein Dolch sein können. Nun räumt er gar ein, daß er vor vier Zügen einen Fehler gemacht habe. Ich nicke mordlüstern. Meine Augen scheinen von innen heraus wie ein Scheiterhaufen zu brennen. Er schneidet eine Grimasse, schiebt die Unterlippe weit über das unrasierte Kinn und platzt plötzlich mit der bahnbrechenden Erkenntnis des ganzen Abends heraus: 'Das nächste Mal wirst du nicht wieder soviel Glück haben!' Mühsam quälen sich die Worte über meine Lippen: 'Muß ich auch mal haben.' So gequält verlief die Partie zwischen dem Malaien Hon Kah Seng und seinem chilenischen Kontrahenten Cifuentes Parada, der mit Schwarz am Zug war, indessen nicht. Der weiße Bauer auf g7 bereitete ihm im heutigen Rätsel der Sphinx keine Sorgen, wußte er doch schon vor einigen Zügen, wie er gewinnen konnte. Auch du, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05582: Salbadernde Flachheit (SB)

Hon - Parada
Dubai 1986

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Stellung sah in der Tat recht verdächtig nach großen Opferzügen aus, und Meister Falk war verwegen genug, sie zu finden: 1.Tg3-g8+!! Kh8xg8 2.Dh5-g4+ Kg8-h7 3.Dg4-g7+!! Lf8xg7 4.h6xg7+ Kh7-g6 - zäheren, zuletzt jedoch nicht minder hoffnungslosen Widerstand hätte 4...De5-h5 5.Th3xh5+ Kh7-g6 6.g7-g8D+ Kg6xh5 7.Dg8xf7+ geboten - 5.g7-g8D+ Kg6xf6 6.Th3-f3+ Kf6-e7 7.Tf3xf7+ Ke7-e6 8.Dg8-e8#


Erstveröffentlichung am 19. September 2002

30. August 2015


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