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SCHACH-SPHINX/05557: Was blieb verborgen? (SB)


Unbemerkt bleibt im gewohnten Lauf des Lernens, daß mit dem ersten Zug zugleich die ganze Geschichte von neuem beginnt. Von Turnier zu Turnier weitergereicht, entsteht so der konstituierende Gedanke. Nichts kommt im Grunde hinzu. Ohne Veränderung, ohne formende Kraft. Historisch nennen wir dann, was sich die Maske des Zeitgemäßen nur leiht, Namen erfindet, sich dem Schritte angleicht, um doch nur zu verbergen, daß es die Schwelle des Niedagewesenen nicht erreicht. Vielleicht hat der ehemalige Weltmeister des Fernschachs Jakow Estrin dies gemeint, als er schrieb: "Jeder Schachspieler wiederholt den gesamten historischen Entwicklungsprozeß des Schachspiels, während er seine Kunst vervollständigt. In vergangenen Zeiten war die schachliche Denkweise von einer naiven Geradlinigkeit gekennzeichnet. Das Ziel der Partie besteht im Matt, folglich ist der kürzeste Weg zu diesem Ziel der Angriff auf den feindlichen König." Auch er selbst wählte den Umweg über das Matt. Ein anzugreifendes Ziel, wer dies im Vorfelde absteckt, kann die Hürde nicht mehr bemeistern. Mag er zum Gefallen der Welt von Vervollkommnung sprechen, den kleinsten Bruch wagte er nicht. So war sein Werk nur erdacht, angeleimt an die großen Buchstaben der Zeit. Viel gehört indes nicht dazu, das Unvollendete bloß auf die nächste Schulter zu legen. Daß dabei ungeachtet dessen im Augenblick schönste Partien entstehen können, nun, ist das nicht das Wesen aller Vergangenheit? Im heutigen Rätsel der Sphinx war es die Großmeisterin Zsuzsa Polgar, die sich an diesem Geheimnis erprobte. Mit Weiß gewann sie gegen den jugoslawischen Großmeister Todorcevic. Was blieb verborgen, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05557: Was blieb verborgen? (SB)

Z. Polgar - Todorcevic
Pamplona 1991

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ja, mit dem 13. Zug begann Kasparows Untergang, zumindest in dieser Partie, denn sein Kontrahent Georgiew schlug mit 13.Sd4xe6! den schwarzen Bau in Stücke: 13...f7xe6 14.Df3-h3 Ke8-f7 15.f4-f5 - parademäßig kommt der weißen Angriff ins Rollen - 15...Lb7-e4 16.f5xe6+ Kf7-g8 17.Dh3-b3 Le4xc2 - notgedrungen in ein verlorenes Endspiel eingelenkt - 18.Db3xc2 Dc7xc2+ 19.Kc1xc2 Sd7xe5 20.e6-e7 Lf8xe7 21.Lg5xe7 Sb8-c6 22.Le7xd6 und Kasparow schleppte sich noch vierzig Züge weit, ehe er endlich kapitulierte.


Erstveröffentlichung am 25. August 2002

05. August 2015


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