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SCHACH-SPHINX/05551: Bücherfüllender Tatendrang (SB)


Am 22. Februar 1887 wurde Savielly Xavier Grigoriewitsch als Sohn österreichisch-polnischer Eltern in Rostow geboren. Früh erkannte er seine Begabung für Wortschelmereien. Erst später kam seine zweite Profession hinzu: Seine Lust am Schachgeplänkel. Sein wissenschaftlicher Eifer hielt sich in Grenzen. Mehr als der hohe Sinn für Tatsachen interessierte er sich für das Zwischenmenschliche, nämlich für die Rede oder - zeitgeistgemäß, denn in den 20er Jahren floß alles irgendwie in Druck - für das geschriebene Wort. Seine Tartakowerismen verloren bis heute nichts an ihre Springlebendigkeit. Tartakower besaß eine einfallsreiche Zunge, um Sinnsprüche mit einem Unsterblichkeitscharakter zu schaffen. Als Journalist in Paris, wo er seit 1924 lebte, vervollkommnete er seine Liebe für Paradoxa. War er auch ein respektabler Kopf seiner Zeit, zu den Größten im Schach gehörte er dennoch nie, wiewohl sein Blick für die zukunftsträchtig aufkeimenden Tendenzen durchaus seherische Qualitäten aufwies. Tiefste Befriedigung verschaffte ihm dennoch nicht der Turniersieg als vielmehr der bücherfüllende Tatendrang seiner Federkunst. Daß er auch im Umgang mit seinen Kollegen mal ein frech-frivoles, bald ein tiefsinnig-grabendes, dann wieder ein lebensweisheitliches Wort zum besten zu geben wußte, braucht wohl nicht im speziellen hervorgehoben zu werden. Er schrieb nicht nur mit der Feder. Auch seine Zunge war sein Schreiborgan. Kaum war das Wort dem Munde des Meisterredners entschlüpft, da notierten es seine Freunde im Geiste mit. Später wurde es irgendwo für die Ewigkeit abgedruckt. Und so erinnert man sich noch heute, daß Tartakower eines Tages bei einem Turnier ein Matt angekündigt wurde, das er freilich längst schon gesehen hatte, und daher mißgelaunt wie aus der Pistole geschossen erwiderte: "Ich verbitte mir jede Belästigung." Ob es sich hierbei um das heutige Rätsel der Sphinx aus der Partie gegen Rudolf Spielmann aus dem Münchener Viermeisterturnier gehandelt hat? Gerüchte gibt es viele, das wenigste ist verbürgt. Jedenfalls mußte Tartakower mit den schwarzen Steinen eine herbe Niederlage gegen Spielmann einsteckte. Also, Wanderer, was zog Spielmann mit Wucht?



SCHACH-SPHINX/05551: Bücherfüllender Tatendrang (SB)

Spielmann - Tartakower
München 1909

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Timmans Kontrahenten Short blieb in der Tat die Luft weg, als der holländische Großmeister ihm mit 1.Df4-c4+ Kg8-h8 2.Sg5-f7+ Kh8-g8 3.Sf7-h6++ Kg8-h8 4.Dc4-g8+! Te8xg8 5.Sh6-f7# das klassische "erstickte Matt" bescherte.


Erstveröffentlichung am 19. August 2002

30. Juli 2015


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