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SCHACH-SPHINX/05519: Ungarisches Millenium (SB)


Große Ereignisse müssen würdig gefeiert werden, wie aber feiert man das 1000jährige Bestehen eines Staates? Na, am besten mit einem Schachturnier, dachte sich im Jahre 1896 der Präsident des Budapester Schachklubs, Franz Erkel, der übrigens auch ein berühmter Opernkomponist war. Rechtzeitig zum 4. Oktober begann das Turnier, das erstmals in der Geschichte der Schachturniere die berühmtesten und besten Meister der königlichen Kunst auf ungarischem Boden unter einem Hut brachte. Von den 16 Meistern, die auserkoren wurden, mußten leider Lasker und Steinitz aus persönlichen Gründen absagen. Schließlich hatten sich beide auf ihren Weltmeisterschaftskampf vorzubereiten. Auch Alapin und Makovetz entschuldigten ihr Fernbleiben. Ein Glück war dies unterdessen für den ungarischen Meister Geza Maroczy, der in letzter Minute noch als Ersatzmann einspringen konnte. Zuletzt waren also 13 illustre Meister zusammengekommen, davon drei aus Ungarn selbst. Dem Anlaß angemessen gab es für den Turniersieger ein Preisgeld von 2500 Kronen zu gewinnen, und zusätzlich noch als besondere Ehrengabe des Königs Franz Josef I. eine 12 Kilogramm schwere silberne Viktoria-Säule. Ungarns Hoffnungen ruhten auf den Schultern von Rudolf Charousek, dem stürmischen Angriffsspieler, der es zwei Monate zuvor in Nürnberg noch fertiggebracht hatte, Lasker mit dem Königsläufergambit zu besiegen. In der entscheidenden letzten Runde in Budapest stand es allerdings nicht zum besten mit ihm. Sein Gegner mit den weißen Steinen, der deutsche Schachmeister und Fabrikant Karl Walbrodt, besaß zwei Bauern mehr, und nur ein Wunder hätte Charousek retten können. Und sein Flehen wurde, passend zum ungarischen Millenium, tatsächlich erhört. Walbrodt setzte seine Dame im 86. Zug auf f3, und so entstand die Stellung im heutigen Rätsel der Sphinx. Ungarisches Naturell ist witzig, spritzig, humorig, und kaum sah Charousek den rettenden Strohhalm, da griff er auch zu und sagte mit einem amüsierten Unterton zu Walbrodt: "Ich biete Ihnen Remis an." Dieser hob jedoch in echter deutscher Biedermannsmanier die Augenbrauen empor und erwiderte leicht gereizt und dennoch kühl, so, als müsse er sich diese Unverschämtheit nicht gefallen lassen: "Ich empfange es nicht!" Nun, Wanderer, was war Charouseks Antwort darauf?



SCHACH-SPHINX/05519: Ungarisches Millenium (SB)

Walbrodt - Charousek
Budapest 1896

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Wie in seiner Sturm-und-Drang-Periode bäumte sich Steinitz in kombinatorischer Wut auf und setzte seinem russischen Widersacher Tschigorin nach 1...Se6xd4 mit 2.Th1xh7+! Kh8xh7 3.Df1-h1+ Kh7-g7 4.Le3-h6+ Kg7-f6 5.Dh1-h4+ Kf6-e5 6.Dh4xd4+ die Pistole auf die Brust. Tschigorin ließ sich das unvermeidliche Matt nicht mehr zeigen.


Erstveröffentlichung am 19. Juli 2002

28. Juni 2015


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