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SCHACH-SPHINX/05494: Verschlungenes Sein und Weltgleichung (SB)


Seltsame Einsichten mischen sich zuweilen in die großen moralisch- ethischen Rechnungen und Weltgleichungen berühmter Dicherköpfe ein. Schon glaubt ein unbedarfter Hartschädel, darin den Schlüssel zu einem universalen Wissen in Händen zu halten. Was ist das Wesen verschlungenen Seins, was seine ewigwährende Begründung? Steckt ein nie geschauter Sinn dahinter oder nur der Schabernack einer zum Spaß aufgelegten Superintelligenz? Der Mensch forscht in seinen Gedanken nach, philosophiert drunter und drüber und kommt auch zu schwergewichtigen Erkenntnissen. Alles klingt hübsch zusammengeleimt, wie Honig geht es durch die Ohren ins verdauende Gehirn. Ich und du reimt sich auf Ruh'. Doch selten paßt ein grober Fuß in einen rechten Schuh. Der Schritt erlahmt, wird träge bald, bald hoffnungsmüd. Nietzsche warnt: "Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt! Stein knirscht an Stein, die Wüste schlingt und würgt. Der ungeheure Tod blickt glühend braun und kaut -, sein Leben ist sein Kaun ... Vergiß nicht Mensch, den Wollust ausgeloht: du - bist der Stein, die Wüste, bist der Tod." Gaspard lacht und denkt bei sich: "Eines Tages drehte sich der Hahn auf dem Turm nicht mehr nach dem Wind, da hielten ihn alle Leute für stolz. In Wahrheit war er nur verklemmt." Schachspieler glauben zu wissen, daß die Welt ein Quadrat und zählbar sei - und die Menschen wie Figuren auf dem Brett wären unterwegs zu einem unbestimmten Ziel. Ist das wahr oder nur ein Schelmentrick? Uhrmacherdenken? Die Welt wäre ein Ticken unendlichen Sichverstrickens? Was weiß der Kirchhahn schon, metallen-rostig, wie er ist, vom Wind, der kommt und geht, wie es ihm paßt! Auch in der Partie zwischen Tiwjakow und Sokolov war es in einer uralten Frage des offenen Spaniers zum kapitalen Konflikt gekommen. Weiß versuchte eine Neuerung, um das sattsam austheoretisierte Remis in einen kühnen Sieg zu verwandeln und verhaspelte sich dabei. Zuletzt zog Tiwjakow im heutigen Rätsel der Sphinx, einem sonderbaren Einfall folgend, 1.Lh3- g4?! Da 1...De2xg4 wegen des drohenden Matts 2.Lg4-h5# erzwungen war, stellt sich nun jedoch die Frage, Wanderer, ob die auf diese Weise eroberte e-Linie für Weiß irgendeinen Nutzen hatte?



SCHACH-SPHINX/05494: Verschlungenes Sein und Weltgleichung (SB)

Tiwjakow - Sokolov
Groningen 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Für Hübner war es denkerisch klar, kombinatorisch einwandfrei, daß er nach 1...Tf8-d8? die Gleichung kannte für den Sieg, sie hieß einfach 2.Tb3xc3! und damit Schluß.


Erstveröffentlichung am 24. Juni 2002

03. Juni 2015


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