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SCHACH-SPHINX/05351: Das lange Echo der Unmündigkeit des Menschen (SB)


Wie sollte die Unmündigkeit der menschliche Natur, die sich von Zorn leiten läßt, Besonnenheit nicht kennt in der Stunde der Bewährung, rasch zur Rache schreitet, statt mit einem milden Wort die drohende Kluft zu überbrücken, im Schach etwas anderes widerspiegeln als das Abbild ihrer eigenen Leidverstrickung. Leichter wäre es da, daß ein Spiegelbild den Beweis anträte, daß es selbst echt, der sich Spiegelnde jedoch dem Irrtum der Reflektion unterläge. Seine holprige, von Trugschlüssen geleitete Entwicklung verdankt das Schachspiel der Verwechslung zwischen der Wiederkehr menschlichen Scheiterns und dem tatsächlichen Schritt einer grenzüberschreitenden Überwindung. Daß man das Schach als Kriegsspiel definierte und in der Folge alle Schaffenskräfte auf diese sich verbrauchende Front warf, ist kein apriorisches Schicksal, sondern ein Produkt der Entfremdung einfachster, nicht teilbarer Lebenszusammenhänge. So irrte der Historiker S.F. Günther Wahl, als er behauptete: "Der Absicht und Veranlassung seiner ersten Erfindung gemäß, und vermöge seiner Natur und Einrichtung ist das Schachspiel ein Kriegsspiel." Richtig ist, daß es in der Resignation, Grenzen der Gegenläufigkeit unter Menschen zu beseitigen, zu einem Kriegsspiel aposteriorisch, also im Nachhinein, erklärt wurde. Aber der Mangel an Wissen kann, und darin besteht der Irrwitz, hinterher nicht zu einer Art Weisheitslehre verdichtet werden. Über diese Schwelle gibt es wenig Material, weil der zeitgeschichtliche Verstand nur im Sinne der Zustände, nicht aber der Befreiung von althergebrachten und sich zivilisatorisch verschärfenden Konflikten sein Anliegen begründete. Soviel zum Irrtum von einem Spiel, das nie zur Kriegsverherrlichung geschaffen wurde. In der Partie zwischen Sieglen und Gawehns kam es ebenfalls zu einem irrtümlichen Moment. Ohne sich in die Charakteristik der Stellung zu vertiefen, gab Gawehns in der Diagrammstellung mit den schwarzen Steinen auf. Der Jammer war groß, als man ihm später die fünfzügige Mattkombination zeigte. Also, Wanderer, im heutigen Rätsel der Sphinx gilt es, die Unmündigkeit zu überwinden.



SCHACH-SPHINX/05351: Das lange Echo der Unmündigkeit des Menschen (SB)

Sieglen - Gawehns
Godesberg 1993

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Maja Tschiburdanidse konnte die verdeckte Kraft ihrer beiden Türme auf der c-Linie mit einem Schlag, nämlich 1...Lc5-b4!, freisetzen und damit den Sieg erringen. Meister Plaskett mußte sich ins Unvermeidliche fügen: 2.a3xb4 Tc6xc3 3.b4xa5 Tc3-c1+ 4.Tb1xc1 Tc8xc1+ 5.Ke1-d2 Tc1-c2+ und Weiß gab auf.


Erstveröffentlichung am 06. Februar 2002

11. Januar 2015





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