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SCHACH-SPHINX/05330: Wurzel alter Völkerzwistigkeit (SB)


Der Streit zwischen Frankreich und England hat alte Wurzeln. Schließlich kamen die Normannen als Eroberer und unterjochten mit grausamer Klinge über viele Jahrhundert hinweg ein stolzes freisinniges Volk. Nun gibt es eine Art von Geschichtslegende, die allzu menschliche Gründe aufzuzeigen versucht, um die unerbittliche Rivalität zwischen Völkern zu erklären. So erzählt beispielweise eine Schachüberlieferung, daß der jüngste Sohn Wilhelm des Eroberers, Heinrich I., als Prinz gegen den Dauphin Ludwig, dem ältesten Sohn des Königs Philipp I. von Frankreich, eine Partie Schach spielte. Nun war Ludwig alles andere als ein wackerer Schachrecke und auch an intellektueller Gewandtheit Heinrich unterlegen. Als nun Ludwig seinen König mattgesetzt sah, geriet er in Zorn, schleuderte die Figuren mit einem Handschlag zu Boden und warf das Brett selbst auf Heinrich, ihn dabei 'Bastard' nennend. Nun muß man wissen, daß zwischen beiden Häusern nie ermüdender Machtkrieg tobte. Heinrich wich dem heranfliegenden Brett jedenfalls geschickt aus, eilte auf den Dauphin zu und schlug ihn kurzerhand nieder. Ehe sich Heinrich in schlimmerer Weise vergaß und dem französischen Thronanwärter womöglich noch ein größeres Leid antat, warf sich Robert dazwischen, zerrte seinen jüngeren Bruder zu den Pferden und beide jagten auf ihren Rossen davon. Ein solcher Schachrahmen für die anekdötische Erklärung später bis aufs Blut verfeindeter Sippen kommt in der Geschichte häufiger vor und immer enden sie damit, daß der Verlierer im Schachspiel sich bei der Ehre gepackt fühlt und daher einen Streit vom Zaun bricht, der dann in eine jahrzehnte- oder gar jahrhundertelange Fehde ausufert. Zum Glück nahm es Meister Berger seinem Kontrahenten Portisch beim Interzonenturnier in Amsterdam 1964 nicht krumm, daß dieser ihn mit den weißen Steinen in eine durchaus unehrenhafte Position brachte. Da die Händel zwischen den Prinzen des Schachspiels heutzutage nur noch mit den Waffen des Geistes ausgefochten werden und nicht mehr mit um die Ohren geschlagenen Schachbrettern, konnten beide hinterher friedlich beieinanderstehen und sich königlich über die gemachten Fehler amüsieren. Also, Wanderer, welche Majestätsbeleidigung mußte sich Bergers Königs gefallen lassen?



SCHACH-SPHINX/05330: Wurzel alter Völkerzwistigkeit (SB)

Portisch - Berger
Amsterdam 1964

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der weiße König hatte sich bei der Gewaltenteilung ins Abseits manövrieren lassen, und ehe er sich's versah, rückten die Parteigänger des anderen Königs auch schon übelwollend heran und konnten mit 1...Se4xf2! 2.Tf1xf2 Dd8-d4 3.Dd1-f1 Dd4xf2+!! 4.Df1xf2 Te8-e1# einen Regierungssturz erzwingen.


Erstveröffentlichung am 17. Januar 2002

21. Dezember 2014





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