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SCHACH-SPHINX/05286: Spirituosen und Spiritualität (SB)


Kaffeehausschach, das klingt in den Ohren der meisten Schachfreunde wie ein Hohn zur edlen Kunst. Dabei ist dieser Schimpf alles andere als gut aufgehoben, denn in den Schachcafés dieser Welt wurde mehr für Caissas Ruhm getan, als gemeinhin bekannt ist. Überall in den Hauptstädten der europäischen Metropolen, ob nun in Paris oder Berlin, Wien oder Belgrad, eröffneten die Zeichen der Zeit erkennende Wirte Lokalitäten, wo neben Spirituosen auch Spiritualität ausgeschenkt wurde. Der Beitrag zur eröffnungstheoretischen Seite des Schachspiels mag vernachlässigbar gering gewesen sein, aber die taktische Kunst feierte hier Hochstände von besonderer Virtualität. Weder waren sich Paul Morphy noch Adolf Anderssen zu schade, in der von Tabakqualm, philosophischen Prahlereien, Liebesgeflüster, Allerweltsweisheiten, Parfüm, Cognak, Kaffee und Tee erhitzten Luft der Schachcafés meisterliche Partien zu spielen. Kaffehausschach, das mag im Vergleich zum Turnierschach andere Prioritäten gesetzt haben, es mag vielleicht auch wie Wildwestschießerei anmuten, zu waghalsig, weniger positionell gesegnet sein, nur eines braucht es sich nicht nachsagen zu lassen, nämlich daß Kaffeehauspartien naiv gespielt worden seien. Der slowenische Meister Danilo Polajzer ist zwar kein ambitionierter Kaffeehausspieler, sein taktisches Temperament hätte unterdessen ohne Schwierigkeiten dort Platz gefunden. Bei einem Turnier in Ptuj reichte dies Talent jedenfalls aus, um einen Großmeister ins Schwitzen und dann zur Aufgabe zu zwingen. Siehe aufs heutige Rätsel der Sphinx, Wanderer, wo Meister Polajzer mit den schwarzen Steinen am Zug dank eines raffinierten taktischen Einschlags die Partie siegreich beendete: Die weiße Grundreihe lud zum Opfergang geradezu ein!



SCHACH-SPHINX/05286: Spirituosen und Spiritualität (SB)

Michaltschitschin - Polajzer
Ptuj 1993

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Paul Morphy, Amerikas Schachgenie und neben Bobby Fischer der ruhmbekränzteste Name im Schachleben der neuen Welt, konnte seinen französischen Kontrahenten Delannoy von der Richtigkeit des Opfers 1...Tf8-e8 2.Lf4xc7 in schlagender Weise überzeugen: 2...Te2xf2 3.Kg1xf2 Te8-e2+! - dieses herrliche Turmopfer bildete den krönenden Abschluß von Morphys Mattkombination - 4.Kf2xe2 Dd5xg2+ 5.Ke2-e1 Dg2- g1+ 6.Ke1-e2 Lg6-h5+ 7.Ke2-d2 Dg1-f2#


Erstveröffentlichung am 06. Dezember 2001

07. November 2014





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