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SCHACH-SPHINX/05020: Agamemnon und der Schweinehirt (SB)


Kaum ein Geistes Kind des Menschen sorgte für solches Blutvergießen im Laufe der Jahrhunderte wie die Wahrheit. Schrecklich die Wunden, die sie schlug, vernichtender noch ihre hemmende Wirkung auf das Denken. Wo die Vielheit der Einfälle und Gedanken ins Buch der Natur eingeschrieben stand, erhob sich die Wahrheit wie ein erzürnter Gott zum Himmel menschlichen Strebens empor und drohte von oben herauf, jeden auszurotten, der seine Macht nicht anerkannte. Häretiker, Hexen, Dirnen des Teufels, Menschenfresser, Bastarde - ach, welche Namen fand ihre Zunge, um die Freiheit des Geistes zu unterjochen! Die Vertreter der Besonnenheit hatten einen viel zu schwachen Atem, um gegen diese Entwicklung anzureden. Einer dieser besonnenen Köpfe war Antonio Machado: "Die Wahrheit ist die Wahrheit, sage sie Agamemnon oder ein Schweinehirt. Agamemnon: 'Das scheint mir richtig.' Der Schweinehirt: 'Ich bin nicht einverstanden.'" Schlaue Köpfe hofften ihren Giftdorn zu ziehen, indem sie sagten: Die Wahrheit ist, daß es keine Wahrheit gibt. Aber was war das anderes, als wenn ein Narr in den Spiegel blickt. Wahrheit, so nannten die Mächtigen stets ihre Rechtfertigung zur Unterdrückung. Auf dem Schachbrett gibt es weder einen Schweinehirten noch einen griechischen Kriegsherrn. Jeder Spieler geht die Wege, die er findet. Im heutigen Rätsel der Sphinx wurde unser Schachfreund Cordingley, der die Damenindische Verteidigung ein wenig zu skurril handhabte, mit den nächsten beiden Zügen seines Kontrahenten Alexander schlicht und ergreifend eines Besseren belehrt, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05020: Agamemnon und der Schweinehirt (SB)

Alexander - Cordingley
London 1947

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Umsicht fehlte dem Heißsporn Marschner, sonst hätte er mit 1...Tf5-f3! leicht gewinnen können, zum Beispiel 2.Kd1-e1 Tf3-h3 3.Te8-e2 g4-g3 4.h2xg3 h4xg3 5.Te2-e8 - 5.Ke1-f1 Th3-h1+ 6.Kf1-g2 Th1-h2+ 7.Kg2-f3 Th2xe2 8.Kf3xe2 Kg5-h4 9.Ke2-f1 Kh4-h3 10.Kf1-g1 g3-g2 und Schwarz gewinnt - 5...Th3-h1+ 6.Ke1-e2 Kg5-g4 und das Königsmanöver Kg4-h3-g2 siegt. Durch den raschen und unbedachten Zug 1...g4-g3? verdarb Marschner jedoch seine Gewinnchancen. Wohl hatte er die Folge 2.h2xg3 h4xg3 3.Te8-g8+ Kg4-h4 ins Auge gefaßt mit leichtem Gewinn, aber sein Kontrahent Fritsch spielte wesentlich stärker 2.Te8-g8+! Kg4-f4 3.h2xg3 h4xg3 4.Ke1-e2! und der weiße König schützt das Umwandlungsfeld.


Erstveröffentlichung am 01. Juni 2001

14. Februar 2014





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